Politik sollte E-Beipackzettel Apothekern überlassen |
Jennifer Evans |
23.04.2024 07:00 Uhr |
In Zukunft wird es immer weniger Beipackzettel aus Papier geben. Die digitale Version bringt für einige Patientengruppen aber Probleme mit sich. / Foto: ABDA
Weltweit ist der Entwicklungsstand des elektronischen Beipackzettels sehr unterschiedlich. Die Technologien stützen sich in der Regel aufs Internet und nutzen QR-Codes, Barcodes oder URLs. Das hat Vorteile, kann aber auch einige Patientengruppen ausschließen.
Für die digitale Packungsbeilage spricht neben ihrer Umweltverträglichkeit, dass Patienten und medizinisches Fachpersonal damit permanent Zugang zu aktuellen Arzneimittelinformationen haben. Darüber hinaus wird die Kommunikation zwischen Heilberufler und Patient erleichtert, was das gegenseitige Vertrauen stärkt. Letzteres wiederum führt zu einer besseren Therapietreue, die sich dann zusätzlich durch integrierte Tools wie Medikationserinnerungen steigern lässt.
Darüber hinaus ist es im digitalen Format möglich, Audio- oder Videoformate etwa für Menschen mit Sehbehinderungen anzubieten oder die Informationen in der gewünschten Sprache zu abzurufen. Eine Suchfunktion erleichtert zudem, relevante Informationen schneller im Beipackzettel zu finden. Insgesamt können digitale Packungsbeilagen auch die Gesundheitskompetenz der Nutzerinnen und Nutzer fördern.
Problematisch dagegen sind unter anderem die Vorgaben im Bereich Datenschutz und -sicherheit, sowie regulatorische Hürden. Beim E-Labeling stellt sich grundsätzlich die Frage, wer Eigentümer der Patientendaten ist und wer den Zugang zu ihnen regelt. Daher müsse sichergestellt sein, dass alle Plattformen dieselben Gesetze und Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre der Patienten einhielten, betonte der FIP. Andernfalls drohten rechtliche und finanzielle Folgen und die Sicherheit der Patienten stünde auf dem Spiel.
Eine weitere Befürchtung des FIP ist es, dass sich mit dem rein digitalen Zugang bestehende Ungleichheiten noch verschärfen könnten. Einige Patientengruppen könnten ausgegrenzt sein, weil sie ohne Internet die Inhalte der digitalen Plattformen nicht abrufen könnten. »Es gibt ältere Menschen, die möglicherweise keinen Zugang zum Internet haben. Wenn sie mehr über ihre Medikamente wissen wollen, müssen sie vielleicht in die Apotheke gehen«, hieß es.
Damit sind wir beim nächsten großen Punkt: Die Auswirkung auf die Apotheken. Klar ist, dass Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in Zukunft auf jeden Fall mehr Patientenaufklärung und -beratung übernehmen müssen als dies aktuell der Fall ist. Es gilt nämlich, ihre Patienten im Umgang mit digitalen Formaten zu schulen. Wie lässt sich also auf die Arzneimittelinformationen zugreifen und wie lassen sich diese interpretieren?
So schön es auch sein mag, bei den Daten zu den Medikamenten aus dem Vollen schöpfen zu können, die Komplexität und Fülle an Informationen mag die Patienten auch überfordern. So könnte fachspezifisches Wissen zu unerwünschten Wirkungen ein Hindernis für die Therapietreue bedeuten. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, dass die Apotheker ihre Beratung künftig nicht allein auf den Gesundheitszustand ihrer Patienten anpassen müssen, sondern auch auf deren digitale Kompetenz.
Vor diesem Hintergrund forderte der Weltapothekerverband, die Befugnisse der Pharmazeutinnen und Pharmazeuten deutlich auszubauen. Auch damit diese besser mit anderen beteiligten Akteuren zusammenarbeiten könnten. Aufgrund ihrer Position könnten die Apotheken nämlich als eine Brücke zwischen Regulierungsbehörden und Patienten fungieren. Denn schließlich sollte die elektronische Packungsbeilage nicht nur rechtskonform, sondern auch patientenorientiert gestaltet sein.
Nach Auffassung des FIP sollte die Politik daher dringend die Apothekerinnen und Apotheker in alle Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit der elektronischen Packungsbeilage einbeziehen. Sie könnten Fachexpertise, die Patientenperspektiven sowie regulatorisches Fachwissen einbringen, hieß es.
Das Fazit des FIP lautete: Um das volle Potenzial des digitalen Beipackzettels für die Gesundheitssysteme auszuschöpfen, gelte es zunächst Hindernisse zu beseitigen. Schon allein, um jetzt das Vertrauen der Patientinnen und Patienten nicht zu verspielen.