Politik soll Werbeverbot für »Pille danach« aufheben |
Mehrere Organisationen, Frauennetzwerke und prominente Frauen fordern die Politik auf, das Werbeverbot für die »Pille danach« aufzuheben. Es sei wichtig, dass Frauen über das Notfallmedikament informiert sind, argumentieren sie. / © Adobe Stock/cinematri
Mit der »Pille danach« lässt sich im Fall einer Verhütungspanne eine ungeplante Schwangerschaft verhindern. Seit 2015 können Frauen in Deutschland die Notfallverhütung rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Gemäß § 10 Absatz 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) darf sie außerhalb von Fachkreisen aber nicht beworben werden. Das Werbeverbot war 2015 von der damaligen großen Koalition zeitgleich mit der Freigabe erlassen worden, um einen übermäßigen Gebrauch des Mittels zu verhindern.
In einem offenen Brief appellieren nun Organisationen wie die Initiative »Frauen100«, Healthcare Frauen, Terre des Femmes und die Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung (ÄGGF) sowie die Initiative #nurwennichesweiss an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sowie die Mitglieder des Deutschen Bundestags, das Heilmittelgesetz anzupassen und das Werbeverbot für die »Pille danach« aufzuheben. Unterzeichnet haben den Brief, der der PZ vorliegt, auch Prominente wie die ehemaligen Politikerinnen Rita Süßmuth und Christine Lambrecht, die Schauspielerin Natalia Wörner und die Gynäkologin Professor Mandy Mangler.
Den Verfasserinnen des Briefes zufolge fördert der Halbsatz des § 10 Absatz 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG), der im Zuge der Entlassung von Notfallkontrazeptiva aus der Rezeptpflicht eingeführt wurde, die Stigmatisierung der »Pille danach« und führt zu einem geringen Wissensstand und Fehlinformationen in der Gesellschaft. »Für ein Arzneimittel, das von der Weltgesundheitsorganisation als unentbehrlich klassifiziert wird, ist dies nicht akzeptabel«, stellen sie klar.
Die »Pille danach« sei in einigen Fällen die letzte (medikamentöse) Option, um eine ungewollte Schwangerschaft noch zu verhindern. Aus diesem Grund sei es entscheidend, dass Frauen wüssten, dass es die »Pille danach« gibt und wo sie das Medikament erhalten können. Sie müssten zudem wissen, dass es nur ein bestimmtes Zeitfenster gibt, in dem die Pille danach wirken kann und auch in der Lage sein, innerhalb dieser Zeit das Notfallmedikament zu erhalten und es einzunehmen.
Den Verfasserinnen zufolge sind diese Voraussetzungen in der Realität aber nicht gegeben. Laut einer YouGov-Umfrage sei die »Pille danach« nur 29 Prozent der Betroffenen bekannt. 73 Prozent wüssten nicht, dass man sie rezeptfrei in der Apotheke erhalten kann, und die Hälfte (49 Prozent) glaube, es handele sich um eine Abtreibungspille. »Diese Zahlen belegen, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung durch die aktuell genutzten Kommunikationskanäle nicht ausreichend erreicht wird«, heißt es. 62 Prozent der Befragten bestätigten sogar, dass Produktwerbung durch Hersteller ungeplante Schwangerschaften verhindern könne.
»Mit der Aufhebung des Werbeverbots ließen sich das Wissen und Vertrauen steigern und der Zugang zu niedrigschwelligen Informationen ermöglichen«, heißt es weiter. Solche Informationen seien essenziell bei einer Entscheidungsfindung, die den Körper und die Zukunft von Frauen und Mädchen betreffe.
Die Sorge vor einem Missbrauch des Produkts, mit der 2015 das Werbeverbot für die »Pille danach« begründet wurde, sei unbegründet. Daten aus dem europäischen Ausland widerlegten dies, argumentieren die Verfasserinnen des Schreibens.
Sie erinnern daran, dass die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen habe, die Selbstbestimmungsrechte von Frauen zu stärken. »Heben Sie noch in dieser Wahlperiode das Werbeverbot für die Pille danach auf«, appellieren die Verfasserinnen zum Schluss noch einmal eindringlich an Lauterbach, Paus und die Bundestagsabgeordneten. Mit der Streichung des im HWG verankerten Halbsatzes zum Werbeverbot für Notfallkontrazeptiva stärkten sie nicht nur Frauen in ihrer reproduktiven Selbstbestimmung, sondern leisteten außerdem einen wichtigen Beitrag für die Informationsfreiheit und Chancengleichheit von Frauen in ganz Deutschland.