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Europa

Polioviren im Abwasser weit verbreitet

Nicht nur in mehreren deutschen Städten sind Polioviren in Abwasserproben entdeckt worden, auch international findet man sie vermehrt. Prinzipiell gibt es zwei Quellen: Infizierte Personen oder Personen, die eine Polio-Schluckimpfung erhalten haben. Da Schluckimpfungen in den entwickelten Ländern nicht mehr zum Einsatz kommen, ist der Nachweis dieser pathogenen Viren nicht harmlos.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 16.12.2024  15:00 Uhr

Seit September häufen sich die Berichte positiver Nachweise von Polioviren in Abwasserproben nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien, Polen und dem Vereinigten Königreich. Bisher wurden zwar noch keine Polioerkrankungen beim Menschen gemeldet und die Europäische Union beziehungsweise der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) gelten weiterhin als poliofrei, wie das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) meldet. Allerdings sind die positiven Abwasserproben »verwirrend, sehr unorthodox und sehr besorgniserregend«, wie es in einem News-Beitrag im Wissenschaftsmagazin »Science« heißt.

Shahin Huseynov, der Polio-Beauftragte für die Europäische Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO), betont, dass genetisch gesehen das Bild sehr ungewöhnlich sei. Er bezeichnet die Situation als »sehr faszinierend«, was zum Ausdruck bringt, wie viele Fragezeichen sich hinter dem Phänomen befinden.

Inzwischen ist bekannt, dass die Viren von einem in Afrika zirkulierenden Virusstamm stammen und dass es sich um pathogene Viren handelt. Zwar leiten sich die Isolate von Impfstämmen, also abgeschwächten Lebendviren, ab, die in der Schluckimpfung gegen Polio (OPV) verwendet werden. Diese sind allerdings wieder zu pathogenen Viren zurückmutiert, können also wieder die für Poliomyelitis typischen Lähmungen verursachen.

Das Bild ist allerdings nicht einheitlich. Am ehesten vergleichbar seien die hier aus den Abwässern isolierten Viren mit einem Stamm, der momentan in Algerien, Guinea und Mali zirkuliere, so die derzeitigen Schlussfolgerungen.

Weg des Virus in Europa unklar

So stehen die Experten offensichtlich vor einem Rätsel. Denn anders als üblich lässt sich die Verbreitung des Virus nicht eindeutig aus genetischen Analysen rekonstruieren. Sie zeigen aber, dass das Virus wohl seit etwa einem Jahr unentdeckt in Europa zirkuliert. Klar sei nur eines, so die Experten: Das Virus breitet sich schnell aus.

Ein sporadischer Nachweis von Polio-Impfviren in poliofreien Ländern ist keine Seltenheit. Sie werden von Menschen eingeschleppt, die aus einem Land einreisen, in dem die Menschen noch mit der Schluckimpfung immunisiert werden. Das sind vor allem Länder auf dem afrikanischen Kontinent ebenso wie Afghanistan und Pakistan, wo das Wildvirus endemisch ist.

Polioviren im Abwasser erstmals in Spanien entdeckt

Erstmals fiel das Virus in einer Routine-Abwasserprobe in Barcelona auf. Danach wurden Befunde aus Warschau und schließlich aus vielen deutschen Städten, darunter München, Köln, Bonn und Hamburg, Dresden, Düsseldorf und Mainz, gemeldet. Auch die englischen Städte Leeds, London und West Sussex sowie das finnische Tampere meldeten zwischenzeitlich positive Probenbefunde. Bei allen Nachweisen handelt es sich um zirkulierende Impfstoff-abgeleitete Polioviren (cVDPV) Typ 2.

Besonders die vielen positiven Proben in Deutschland beunruhigen. Lässt sich daraus schließen, dass das Virus lokal übertragen wird? Denkbar wäre das, denn der hier eingesetzte inaktivierte Polio-Impfstoff (IPV) schützt zwar vor den mit der Infektion assoziierten Lähmungen, nicht aber zwingend vor einer Infektion. So können auch geimpfte Menschen das Virus bei einer Infektion übertragen, da es über den Stuhl ausgeschieden wird.

Gegen diese naheliegende Überlegung spricht allerdings, dass die hier analysierten Isolate enger mit denen aus Spanien und Polen verwandt sind als untereinander. So schließt auch Huseynov, dass man eine lokale Übertragung in Deutschland weder bestätigen noch ausschließen könne. Nach seiner Meinung müsse man wohl davon ausgehen, dass das Virus mehrfach gleichzeitig nach Europa eingeschleppt wurde.

Noch gibt es keinen Anlass, übermäßig besorgt zu sein. Angemessen sind Aufrufe der Ständigen Impfkommission (STIKO), dass jeder in Deutschland seinen Impfstatus überprüfen solle und gegebenenfalls eine Impflücke schließen solle. Vor allem sollten Eltern den Impfstatus ihrer Kinder prüfen.

Das ECDC ruft dringend dazu auf, die Verbreitung dieser Viren fortgesetzt zu überwachen und hohe Impfraten aufrechtzuerhalten. Folge man diesen Empfehlungen, gehen Experten davon aus, dass das Virus wohl bald wieder verschwinden werde.

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