Nicht jeder strebt nach Perfektion |
07.11.2005 00:00 Uhr |
Für Apotheker ist die Sache klar: Hohe Qualität ist gut, niedrige ist schlecht. Deshalb setzen sie auf eine möglichst hochwertige Versorgung. Doch die Sache hat einen Haken, denn Ökonomen knüpfen Qualität an Ziele und an Kosten.
Als freie Heilberufler wollen sich die Apotheker von Versendern oder Ketten vor allem über die Qualität ihrer Arbeit unterscheiden. Ein hohe Sicherheit, einwandfreie Produkte, ein guter Service und kompetente Beratung sind die wichtigsten Parameter für die Pharmazeuten.
Die Vorschriften von Arzneimittel- und Apothekengesetz sowie der Apothekenbetriebs- und Approbationsordnung regeln dabei die Strukturqualität. Wie ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt auf dem Management-Kongress von PZ und Lauer-Fischer in Teneriffa ausführte, reicht dies jedoch nur dazu aus, eine einwandfreie Produktqualität zu garantieren. Immaterielle Leistungen wie eine gute Beratung ließen sich so nicht auf hohem Niveau standardisieren. Auch deshalb führen immer mehr Apotheken ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) ein. So soll der Spielraum und damit die Varianz in der Qualität reduziert werden.
Ein QMS sei heute nicht nur sinnvoll, es gehöre auch immer zu den Existenzgrundlagen der Apotheken, so Schmidt. Die Bundesapothekerkammer empfiehlt es dringend allen Apotheken, die Heime versorgen. Es dürfte auch nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Verträge mit Krankenkassen eine Qualitätssicherung zwingend vorsehen. Die Bundesapothekerkammer hat mittlerweile 25 Leitlinien für die Qualitätssicherung erstellt. Im Mittelpunkt stünden dabei Kommunikation und Beratung, so Schmidt. Zwölf Leitlinien widmen sich allein diesem Bereich.
Pseudo-Customer-Konzept
Da sich bei Testkäufen jedoch gezeigt hat, dass es trotz der intensiven Qualitätssicherung in einigen Apotheken dennoch Defizite in der Beratung gibt, habe die ABDA eine Qualitätsoffensive ins Leben gerufen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Programms ist das Pseudo-Customer-Konzept der Bundesapothekerkammer.
Wie ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill klarstellte, handelt es sich dabei keinesfalls um ein Instrument mit dem die Kammern die Arbeit ihrer Mitglieder kontrollieren wollen. Das von australischen Apothekern entwickelte Konzept soll vielmehr eine Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Es wurde von den Landesapothekerkammern in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Arzneimittelinformation und pharmazeutische Praxis sowie der Werbe- und Vertriebsgesellschaft an die deutschen Gegebenheiten angepasst. Ziel ist es, die Qualität der Beratung zu verbessern, denn dies sei eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Apothekenpflicht von Selbstmedikationsarzneimitteln. Die Testkunden seien besonders geschulte Apotheker. Für 125 Euro kommen sie innerhalb von drei Monaten zu einem Testkauf in die Apotheke. Nach dem Testkauf wird die Beratung zuerst mit dem jeweiligen Apothekenmitarbeiter und anschließend mit dem Apothekenleiter besprochen.
Freiwillige Teilnahme
Die Teilnahme am Pseudo-Customer-Konzept sei grundsätzlich freiwillig, sagte Eckert-Lill. Für eine flächendeckende Qualitätskontrolle unternehmen deshalb einige Landesapothekerkammern zusätzlich verdeckte Beratungschecks und Testkäufe. Bislang testen die Scheinkunden nur die Beratungsqualität bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Eckert-Lill stellte in Aussicht, dass in Zukunft auch verschreibungspflichtige Arzneimittel und Hilfsmittel abgefragt werden sollen.
Eine hohe Qualität in den Apotheken ist ohne die pharmazeutische Industrie nicht möglich. Sie muss dafür sorgen, dass die von ihr vertriebenen Produkte wirksam und unbedenklich sind. Maßgebliches Instrument dafür ist bei der Produkteinführung die Zulassung und die dafür notwendigen Studien, so die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie (BPI), Professor Dr. Barbara Sickmüller. Die Anforderungen an die Zulassung werden heute bereits maßgeblich von der europäischen Union vorgegeben. Mit der Markteinführung hat der Hersteller seine Pflichten jedoch keineswegs erfüllt. Viele unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln zeigen sich erst beim großflächigen Einsatz an zum Teil multimorbiden Menschen. Aus diesem Grund ist die Bedeutung der Pharmakovigilanz, also der Überwachung von im Markt befindlichen Präparaten in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Unerwartete Wirkungen sollen schnell erfasst und an die Fachkreise kommuniziert werden, um den Schaden möglichst gering zu halten.
Missverständnisse
Mit der pharmazeutischen Industrie und sicherlich auch mit Ärzten können sich Apotheker wahrscheinlich problemlos auf eine gemeinsame Definition von Qualität verständigen. Eine Einigung mit Gesundheitsökonomen fällt da erheblich schwerer. Der Münchner Wirtschaftsprofessor Dr. Günther Neubauer definiert Qualität keinesfalls als Streben nach Perfektion. »Qualität bedeutet, dass prospektiv definierte Eigenschaften eines Prozesses oder einer Leistung erreicht werden. Für Apotheker bedeutet Qualität Wirksamkeit. für Ökonomen dagegen Wirksamkeit in Bezug auf die Kosten.«
Dieser Unterschied sei entscheidend dafür, dass Heilberufler und Wirtschaftsexperten häufig aneinander vorbeireden. Während Apotheker und Ärzte die Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer Therapie maximieren wollen, sieht der Ökonom auch immer das zur Verfügung stehende Geld. Er will die Wirtschaftlichkeit maximieren, also mit begrenzten Ressourcen einen großen Nutzen erzielen.
Angesichts der knappen Ressourcen dürfte die Tendenz zur Maximierung
der Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen noch weiter steigen,
prognostiziert Neubauer. Das von SPD und CDU verordnete Sparpaket zeige,
wohin der Trend gehe. Mit weniger Geld wolle die Politik die Qualität
steigern oder zumindest halten. Nicht wenige werden sich allerdings
fragen, ob dieses Ziel noch realistisch ist.
© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de