Politik
Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer zur Sanierung
notleidender Krankenkassen in Ostdeutschland werden überwiegend positiv
bewertet. Aus den Reihen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als auch der
SPD-Opposition wurde inzwischen weitgehend Zustimmung signalisiert. Der
Verband der Angestellten-Krankenkassen begrüßte die Vorschläge des
Ministers ebenfalls. Negative Stimmen gibt es allerdings auch: Sie kommen
aus Bayern sowie Baden-Württemberg. Sowohl die zuständigen Länderminister
als auch die Chefs der dortigen Ortskrankenkassen wehren sich energisch
gegen neue Finanztransfers Richtung Osten.
In einer Gesprächsrunde bei Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hatten sich
zuvor die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die zuständigen
Minister der Länder auf einen Katalog von Maßnahmen gegen die Finanzkrise geeinigt.
Danach sollen Defizite in diesem und im nächsten Jahr kassenartenintern abgedeckt
werden. Gleichzeitig sollen die ostdeutschen Krankenkassen auf allen Gebieten eisern
sparen. Über westdeutschem Ausgabenniveau liegende Leistungsbereiche sollen
zurückgeführt werden.
Ein gesamtdeutscher und kassenartenübergreifender Risikostrukturausgleich könnte
dann im Jahr 1999 wirksam werden. Er beschränkt sich aber nur auf die
Grundlohnsumme. Seehofer will alle Fraktionen des Bundestages in das weitere
Vorgehen einbeziehen. Notwendige Gesetzesänderungen sollen parteiübergreifend
vorgenommen werden und Gespräche darüber in Kürze beginnen.
Nach vorliegenden Informationen hat sich die finanzielle Situation defizitärer
ostdeutscher Kassen seit dem Inkrafttreten der dritten Stufe der Gesundheitsreform
leicht entspannt. Zurückgegangen seien beispielsweise die im ersten Halbjahr noch über
dem westdeutschen Niveau liegenden Ausgaben für Arzneimittel. Bei einzelnen
Kassenärztlichen Vereinigungen hätten sie sich im Juli und August gegenüber den
Vorjahresmonaten um mehr als 20 Prozent reduziert.
Widerstand aus Bayern und Baden-Württemberg
Die Finanzmisere der gesetzlichen Krankenkassen in den ostdeutschen Bundesländern
muß nach Meinung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bayern mit
Steuermitteln gelöst werden. Der AOK-Vorstandsvorsitzende Herbert Schmaus sprach
sich am Dienstag in München gegen einen "unintelligenten Finanztransfer" zwischen den
Kassen von West nach Ost aus. Dies könne zu Beitragserhöhungen im Westen führen.
Über den Risikostrukturausgleich hätten die West-Kassen bereits eine Milliarde DM
nach Ostdeutschland bezahlt. Jetzt sei die Behebung des entstandenen Defizits von drei
Milliarden DM eine gesamtdeutsche Aufgabe, die nicht durch Beiträge der gesetzlich
Versicherten erfolgen dürfe.
Der Staat müsse in den neuen Bundesländern wirtschaftliches Verhalten erzwingen. Die
AOK Bayern erwarte von den Ost-Krankenkassen "eisernes Sparen", vor allem in den
Bereichen, in denen die Ausgaben über dem Westniveau lägen. Das gelte für
zahnärztliche Behandlungen, den Arzneimittelsektor, das Krankengeld und die
Patienten-Fahrkosten.
Für einen gerechteren Risikostrukturausgleich der Krankenkassen will
Baden-Württembergs Sozialminister Erwin Vetter (CDU) "alle politischen
Möglichkeiten" ausschöpfen. In einem dpa-Gespräch schloß er sogar gerichtliche
Schritte bis hin zum Bundesverfassungsgericht nicht aus.
Den Seehofer-Plänen stellt Vetter ein eigenes Modell eines regionalisierten
Risikostrukturausgleichs entgegen. Danach sollen Zahlungen nur noch innerhalb der
Bundesländer ausgeglichen werden. "Krankenkassenbeiträge sollen im Land bleiben",
hatte der Minister schon früher betont.
Artikel von der PZ-Redaktion
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