Politik
Nachdem sich bei den Krankenkassen in Ostdeutschland ein Schuldenberg
von rund 2,2 Milliarden DM angesammelt hat, ist guter Rat teuer. Das
politische Bonn sucht krampfhaft nach einem Ausweg. Erste Einigung zeichnet
sich zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern ab: Die
Rechtsangleichung findet bereits zum Januar 1999 statt, der
Risikostrukturausgleich wird Zahlungen von jährlich vier bis fünf Milliarden
DM von Westen nach Osten pumpen, die Arzneiausgaben sollen sinken.
Um die ebenfalls defizitär arbeitenden Westkassen finanziell nicht zu sehr zu beuteln, soll
der Risikostrukturausgleich "gestreckt" werden. Das heißt, er wird drei Jahre lang
kontinuierlich auf seine tatsächliche Rechengröße angehoben.
Das ganze Defizit wird im Bundesgesundheitsministerium nicht als dramatisch
angesehen. Allerdings nur, wenn die Defizite aller Kassenarten gemeinsam beurteilt
werden. Zwei Drittel des Defizits fallen nämlich ausschließlich bei den
Ortskrankenkassen an. Die haben bereits, gegen bestehendes Recht, langfristige
Kredite auf dem Finanzmarkt aufgenommen, um überhaupt zahlungsfähig zu bleiben.
Auch diese Rechtsverstöße sollen ungeandet bleiben. Wie aus gut unterrichteten
Kreisen in Bonn zu erfahren ist, plant das Gesundheitsministerium eine Art
"Amnestiegesetz". Für einen bestimmten Zeitraum, etwa für ein oder zwei Jahre,
könnten die aufsichtsrechtlichen Zwänge, bei Kreditaufnahme einzuschreiten, außer
Kraft gesetzt werden.
Mit diesen Ergebnissen dürfte auch die Arbeitsgruppe von Regierung, Bundesländern
und Krankenversicherung Ende dieses Monats ihre Arbeit beenden. Damit wird
deutlich, daß der Vorschlag der Ortskrankenkassen, einen Solidarfonds einzurichten,
keine Gegenliebe findet. Nach Meinung von Gesundheitsminister Horst Seehofer würde
mit einer solchen Finanzierungsart lediglich Geld in die Ostkassen gegeben - ohne
Zwang zu Sparmaßnahmen
Wo bei den ostdeutschen Krankenkassen gespart werden soll, steht auch schon fest:
nämlich bei den Leistungen, die überproportional gegenüber den Westkassen in
Anspruch genommen werden. Dazu gehören: Arzneimittel, Krankenhäuser, Fahrtkosten
und Zahnersatz.
In der Zwischenzeit wollen die Westkassen ihren Partnerkassen im Osten aus eigener
Kraft helfen. Lediglich die Ortskrankenkassen sehen sich außerstande,
kassenarteninterne Unterstützung zu leisten.
PZ-Artikel von Rainer Vollmer, Bonn
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