Politik
Hat die soziale Krankenversorgung eine Zukunft? Dieser Frage ging der
SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Schmidbauer bei einem Treffen mit 30
Apothekern nach, die an der fünften Apotheker-Informationsreise des Gehe
Pharma Handels nach Bonn am 10. und 11. September 1997 teilnahmen.
Schmidbauers Versprechen: Mit der SPD sei ein weiterer Abbau des
Solidargedankens nicht machbar.
Otto von Bismarck habe mit der Einführung des sozialen Systems den sozialen Frieden
erhalten wollen, und dieser habe über 100 Jahre gehalten. Warum das System gerade
jetzt in Frage gestellt werde, sei unerfindlich. Das aufgelaufene Milliardendefizit der
gesetzlichen Krankenversicherung und der Rückgang der Einnahmen seien das
eigentliche Problem, denn gemessen am Bruttosozialprodukt blieben die Ausgaben seit
20 Jahren in etwa gleich.
"Wir reden unser eigenes System kaputt, um das uns andere beneiden", sagte
Schmidbauer unter Hinweis auf die USA, wo die Versicherten hohe Beiträge einzahlen
und wenig Leistung erhalten. Dort bestimme die Versicherung den wirtschaftlichen
Rahmen. Mit der erhöhten Patienten-Zuzahlung von insgesamt 4,65 Milliarden
(Arzneimittel: 3,5 Milliarden) DM zahlen nun die Kranken das fehlende Geld in die
Versicherung ein. Hierbei handele es sich nicht mehr um ein Steuerungs-, sondern um
ein Finanzierungsinstrument. Eine Vier-Klassen-Gesellschaft bestehe bereits beim
Zahnersatz durch Abbau der Vollversorgung.
Der Apotheker sei das Bindeglied zwischen Arzt, Patient und Pharmaindustrie. Insofern
sei der Gedanke an eine Drehung der Arzneimittelpreisverordnung nicht ungeschickt. Es
müsse zu einer Flexibilisierung der Instrumente und zu einer Finanzierungssicherung
kommen. Deshalb sei die SPD mittelfristig für eine Erhöhung beziehungsweise
Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze für die Pflichtversicherung und langfristig für
eine grundlegende Neuordnung der Finanzierungsgrundlagen in der Sozialversicherung.
An den widersprüchlichen Aussagen der Bundesregierung und des zuständigen
EU-Kommissars Dr. Martin Bangemann zum Versandhandel übte Schmidbauer
harsche Kritik. Er erinnerte an den Antrag der Firma Ratiopharm auf vorsorglichen
Namensschutz für noch nicht existierende Geschäftsbetriebe, die eigentlich nur
jemandem einfallen können, der Apothekenketten im Sinn hat. Zu fragen sei, inwieweit
die Gesetzeslage - so auch mit dem jetzt vorgesehenen Versandhandelsverbot im
Entwurf zur 8. AMG-Novelle - Bestand haben wird.
Nach Schmidbauers Meinung wird es wesentlich an der Apothekerschaft selbst liegen,
welche Rolle ihr verantwortlicher Gesundheitsberuf, den die SPD national unbedingt
erhalten wolle, künftig spielen wird. Der Wirtschaftsaspekt müsse jedenfalls in den
Vordergrund gestellt werden. Auf der Bandbreite Krankenkassen, Kassenärztliche
Vereinigungen, Bundesärztekammer befinden sich nach dem Dafürhalten des
SPD-Abgeordneten die "vornehmen Apothekerverbände auf der Verliererseite". Die
Apothekerorganisationen seien im öffentlich-rechtlichen Rahmen zu unverbindlich und
die Kammern nur berufspolitisch-rechtlich zuständig.
Einer Meinung war Schmidbauer mit der zuvor schon von dem
CDU-Bundesabgeordneten Wolfgang Lohmann in der Apothekergruppe gemachten
Aussage: Die großen Bundestagsparteien sind gegen den fünfprozentigen Rabatt, den
die Apotheken an die GKV zahlen müssen. Lohmann: Das ist eine Subventionierung
der Krankenkassen. Pervers wird es aber, wenn Rabatt auf die Zuzahlung gewährt
werden soll."
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Bonn
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