Politik
"Die Apotheke ist stets erreichbar. Es gibt zu ihr keine Alternative", rief
ABDA-Präsident Hans-Günter Friese bei der Festveranstaltung zum ersten
bundesweiten Tag der Apotheke am 10. September in der Bonner Redoute
aus. Vor etwa 200 Gästen überzeugte der Repräsentant von rund 50.000
Apothekern in 21.500 öffentlichen Apotheken, in Krankenhäusern, Industrie
und anderen Bereichen mit seiner Darstellung, was Apotheken heute anders
als früher bieten und wie sie ihre Dienstleistungen noch ausbauen werden.
Die Zufriedenheit der Kunden mit dem Leistungsspektrum der Apotheken schlägt
sich heute schon zum Beispiel im Deutschen Kundenbarometer nieder. 1997
belegten die Apotheken Rang zwei hinter den deutschen Urlaubsregionen. Friese
verschwieg nicht: Die Krankenkassen haben lediglich den 13. Platz erreicht. Die
Deutschen schätzen demnach dieses System der wohnortnahen
Arzneimittelversorgung. Sie erkennen an, daß sie auch mit selten verordneten
Präparaten zeitnah, im Regelfall innerhalb eines halben Tages, versorgt werden.
"Trotz seltener immer wieder einmal auftauchender Probleme trägt auch der Nacht-
und Notdienst dazu bei, das positive Gesamtbild der Apotheke zu festigen", so
Friese.
Andere Untersuchungen hätten aber gezeigt, daß ein Teil der Bevölkerung nicht über
die ganze Spannweite des tatsächlichen Dienstleistungsangebotes der Apotheken
informiert sei, "die mit 132.000 Beschäftigten übrigens mehr Menschen Arbeit geben
als der gesamte Volkswagenkonzern an allen seinen deutschen Standorten", ergänzte
der ABDA-Präsident. Die Apotheke sei heute weit mehr als ein reiner Abgabeort
für Arzneimittel. Sie sei eine soziale, kommunikative Drehscheibe, in der der Kunde
und Patient umfassende Beratung zu Arzneimitteln und anderen Gesundheitsfragen
bekommt. Gesundheitstests, Vorsorgemaßnahmen, Arzneimittelprüfungen und nicht
zuletzt die Beratung seien zentrale Dienstleistungen, die nirgendwo anders im Sinne
einer guten Arzneimittelversorgung und Arzneimittelsicherheit erbracht werden.
Verantwortungsvolle Rolle bei der Gesundheitsreform
In der Gesundheitsreform hat die Apothekerschaft in besonderem Maße
Verantwortung getragen. Der Berufsstand ist nach Frieses Worten zu
Sparmaßnahmen herangezogen worden, nicht zuletzt, weil der Arzneimittelmarkt
transparent ist und die Verdienstspannen gesetzlich geregelt sind. Dabei habe er aber
nie seine Aufgabe vernachlässigt. Bundesgesundheitsminister Seehofer habe in letzter
Zeit immer wieder betont, daß keine weiteren Einsparungen in diesem Sektor mehr
zu realisieren seien - zumal sich das deutsche Arzneimittelpreisniveau im
europäischen Vergleich im Mittelfeld bewege.
Der ABDA-Präsident stellte fest, daß sich die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen
Krankenkassen derzeit unter einer wirksamen gesellschaftlichen Kontrolle befänden.
Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben der GKV sei von fast
16 Prozent im Jahr 1992 auf zwölf Prozent im Jahr 1997 zurückgefahren worden.
Die absoluten GKV-Ausgaben für Arzneimittel lagen 1997 unter denen des Jahres
1992. Die Wertschöpfung der Apotheken bei Arzneimitteln sank im gleichen
Zeitraum von 22,6 auf 21,4 Prozent, der Anteil des Apothekenrohertrages an den
Gesamtausgaben der Krankenkassen von 3,5 auf 2,7 Prozent. "Wenn in anderen
Leistungsbereichen ähnlich gespart worden wäre, hätten die Kassen 1997 einen
Überschuß von fast 60 Milliarden DM erzielt, und die Kassenbeiträge könnten heute
bei zehn Prozent statt bei 13 Prozent liegen", sagte Friese unter Beifall.
"Die Arzneimittelversorgung der Zukunft" - eine Diskussion
Die Apotheker haben die Folgen der gesundheitspolitischen Veränderungen wie kein
anderer zu spüren bekommen, erklärte Regina Schmidt-Zadel (SPD) bei der
Podiumsdiskussion. Die Patienten hätten Frust und Sorgen in den Apotheken
abgeladen. Eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens ist ihrer Meinung nach
nur mit und nicht gegen die Apotheker denkbar. So könne die Leistungsfähigkeit des
Gesundheitswesens verbessert werden. Nach Meinung der Politikerin müßten auch
die Apotheker einen Sitz im Bundesausschuß Ärzte/Krankenkassen, dieser zentralen
Institution in der Gesundheitspolitik, haben. Sie dürften nicht am Katzentisch des
Gesundheitswesens sitzen. Künftig müßten die Patienten mehr als bisher über den
Apotheker in das System der Pharmazeutischen Betreuung eingebunden werden.
Die Positivliste stehe im Programm, regionale Einkaufsmodelle würden bei Wahlsieg
aber nicht im ersten Schritt umgesetzt.
Die Liberalen wollen den unabhängigen, freiberuflichen Apotheker, sagte Jürgen
Möllemann (FDP). Die flächendeckende Arzneimittelversorgung muß weiter von
den öffentlichen Apotheken und nicht von den Krankenhausapotheken sichergestellt
werden. Die FDP steht für den einheitlichen Apothekenabgabepreis, ist aber gegen
Kettenapotheken und Versandhandel. Es ist zwar richtig, daß die Apotheke Kosten
verursachen; dennoch sparen sie gesamtwirtschaftlich und unter Sicherheitsaspekten
gesehen unter dem Strich Geld ein. Durch die Europäisierung dürfen die Apotheken
nicht ins Hintertreffen gelangen, so Möllemanns Thesen. Den Trend zur
Europäisierung könne man nicht aufhalten, man könne ihn aber gestalten. Die Rolle
der Krankenkassen müßten auf die Rolle von Dienstleistern zurückgeführt werden.
Wolfgang Lohmann (CDU/CSU) verwies auf den gesundheitspolitischen Erfolg
seiner Partei, die das Versandhandelsverbot in der 8. Novelle des
Arzneimittelgesetzes festgeschrieben hat. Im Zusammenhang mit Blut-,
Blutprodukten und Aids sei in erschreckender Weise deutlich geworden, was
geschehen kann, wenn der sichere Weg der Arzneimitteldistribution verlassen
werde. Insofern könne er nichts von dem mittragen, was über andere Vertriebswege
als den bewährten diskutiert werde. Das alte Feindbild müsse endlich aus den
Köpfen verschwinden: "Bei den Apothekern ist nichts mehr zu holen", und das in
Deutschland praktizierte Verteilungssystems gehöre schließlich nicht zu den
teuersten.
ABDA-Präsident Friese hob zum Abschluß der kurzen Diskussion, die keine Arena
des Wahlkampfes sein sollte, auf die "balance of power", das Kräftegleichgewicht im
Gesundheitswesen ab. Entscheidend sei, daß nach der Bundestagswahl das Oligopol
der Krankenkassen nicht noch gestärkt werde.
Deutschsprachige Nachbarn begehen Tag der Apotheke
Dem Tag der Apotheke haben sich auch die deutschsprachigen Nachbarn
Österreich, Schweiz, Luxemburg und Südtirol angeschlossen. In der Bonner
Redoute lag neben der von der ABDA herausgegebenen Zeitschrift zum Tag der
Apotheke eine 24seitige Zeitschrift der Schweizer aus. In zahlreichen Beiträgen
stellen die eidgenössischen Apotheker ihre Ansprüche und Leistungen rund um die
Beratung dar. Der Beitrag "Die Apotheke: nützlich, aber zu wenig genutzt" faßt die
Ergebnisse einer Umfrage zusammen, die für die Schweiz ähnliche Zustände
beschreibt wie sie auch in Deutschland herrschen: "96 Prozent aller Schweizerinnen
und Schweizer finden die Beratung in Apotheken nützlich. Aber nur ein Viertel
nimmt die Beratung auch in Anspruch". Typisch schweizerisch dagegen: "Jeder
zweite würde Medikamente auf Rezept keinesfalls im Kaufhaus oder in der Drogerie
einlösen, 60 von 100 Personen lassen sich verordnete Medikamente auf keinen Fall
per Postversand schicken", heißt es.
PZ-Artikel von Gisela Stieve, Bonn
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