Politik
Ein Defizit von knapp vier Milliarden DM hat die Gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) nach Berechnungen des
Bundesgesundheitsministeriums im ersten Halbjahr dieses Jahres zu
verkraften. Davon entfallen rund 2,8 Milliarden DM auf die alten und etwa 1,1
Milliarden DM auf die neuen Länder. Von einem Scheitern der dritten Stufe
der Gesundheitsreform will Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer
dennoch nicht sprechen. Zum einen habe sich das Defizit der Krankenkassen
im Vergleich zum ersten Quartal 1997 deutlich reduziert, zum anderen schlügen
sich die zum 1. Juli erhöhten Zuzahlungen in den jetzt vorgelegten Zahlen
überhaupt noch nicht nieder.
Zumindest in der westdeutschen GKV seien deshalb auf absehbare Zeit
Beitragssatzanhebungen auf breiter Front nicht zu erwarten. Bundesweit reduzierten sich
die Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber dem
Vergleichszeitraum des Vorjahres um ein Prozent. Die Ausgaben für Arzneimittel
stiegen um 0,3 Prozent. Für ärztliche Behandlung wandten die Krankenkassen im ersten
Halbjahr 2,1 Prozent mehr auf. Bei der Krankenhausbehandlung registrierten die
Statistiker ein Plus von 2,4 Prozent.
Sorge bereiten dem Bundesgesundheitsminister die stagnierenden Beitragseinnahmen
der Krankenkassen. Infolge der anhaltenden Rezession erhöhte sich in Westdeutschland
die Grundlohnsumme, dem entsprechenden Indikator, zwischen Januar und Juni nur um
0,1 Prozent. Zwischen Elbe und Oder reduzierte sie sich sogar um 0,6 Prozent. Diese
Einnahmeausfälle lassen sich nach Seehofers Überzeugung nicht mehr alleine durch
Sparmaßnahmen innerhalb des Systems ausgleichen.
Nach Ansicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bestätigt das Finanzergebnis der
Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für das erste Halbjahr dieses Jahres den
gesundheitspolitischen Kurs der Bonner Regierungskoalition. Der
Unions-Parlamentarier Wolfgang Lohmann meinte dazu, die sozialverträgliche
Anhebung der Selbstbeteiligung habe sich als einzige Alternative zur Rationalisierung
von medizinischen Leistungen herausgestellt.
Dagegen sehen sowohl die SPD-Opposition als auch Bündnis 90/Grüne in den
Rechnungsergebnissen Indizien für eine verfehlte Gesundheitspolitik des zuständigen
Ministers. Seehofers Kurs, so der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Klaus
Kirschner, werde auch in Zukunft für weitere Defizite verantwortlich sein. Ohne Not
habe die konservativ-liberale Koalition wirksame Budgets aufgehoben und auf die
Positivliste für Arzneimittel verzichtet. Die Grünen-Parlamentarierin Monika Knoche
verlangte in ihrer Stellungnahme ein ganzes Bündel von gesundheitspolitischen
Maßnahmen". Dazu gehörten ein Globalbudget zur Ausgabenbegrenzung sowie
zusätzliche Einnahmen für die Krankenkassen durch eine höhere
Beitragsbemessungsgrenze.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn
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