Politik
Fast 40 Prozent der Bundesbürger sind dafür, daß die Gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) die Kosten für Lifestyle-Medikamente
übernehmen sollte, wenn sie vom Arzt verordnet wurden. Das ergab eine
repräsentative Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Deutschen
Angestellten-Krankenkasse (DAK) in Hamburg. Von den unter 30jährigen
plädieren sogar 46 Prozent für die Kostenübernahme. Dagegen haben sich
63 Prozent der über 50jährigen, also überdurchschnittlich viele Ältere, gegen
eine Erstattung dieser Präparate zu Lasten der Kassen ausgesprochen.
Insgesamt sind 59 Prozent aller Befragten dagegen, daß die gesetzlichen
Versicherungen dafür die Kosten übernehmen sollten. Nach Angaben der DAK
halten diese Versicherten Lifestyle-Medikamente für reinen Luxus.
Die Frage ist nur, welche Arzneimittel das betrifft. Nach Einschätzung der DAK,
gehören dazu offensichtlich Viagra und Xenical. Das seien nämlich "Medikamente,
die nicht in erster Linie der Behandlung von Krankheiten dienen, sondern vor allem
das Leben angenehmer machen sollen", so die Kasse.
Daß für einen kranken Impotenten die Fähigkeit, den Geschlechtsverkehr dank
Viagra ausüben zu können, sein Leben angenehmer macht, ist für die DAK
offensichtlich Grund genug, die Erstattung in Frage zu stellen. Nach dieser Logik sind
Impotenz und Fettleibigkeit eigentlich keine Krankheiten, sondern nur unangenehm.
Die Betroffenen sind im Prinzip gesund, die GKV nicht zuständig.
Entsprechend interpretiert der DAK-Vorstandsvorsitzende Hansjoachim Fruschki
das Umfrageergebnis: "Wenn eine Mehrheit der Bürger nicht will, daß die
Krankenkassen Zeitgeistmedizin finanzieren, bestätigt uns das." Aufgabe der Kassen
müsse es auch zukünftig bleiben, für medizinisch notwendige Behandlungen zu
zahlen. "Wer aber Lifestyle-Medizin zu Lasten der Kassen will, gefährdet die
Versorgung", schreibt Fruschki den Impotenten und Fettleibigen ins Stammbuch.
Der medizinische Fortschritt bei der Behandlung von Aids, Krebs und anderen
Krankheiten dürfe nicht durch teure Medikamente für die im Prinzip Gesunden
gefährdet werden.
Festzuhalten bleibt: Angesichts der sehr subjektiven und abwertenden
DAK-Umfragevorgabe zur Lifestyle- oder Zeitgeistmedizin ist es doch
bemerkenswert, daß sich immerhin vier von zehn Versicherten für die
Kostenübernahme durch die GKV aussprechen.
PZ-Artikel von Karl H. Brückner, Bonn
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