Politik
Der staatliche britische Gesundheitsdienst (National Health Service,
NHS) erhält für die kommenden drei Jahre einen Sonderetat von
umgerechnet rund 63 Milliarden DM. Der von Schatzkanzler Gordon Brown
jetzt angekündigte Sonderetat ist wegen seines Umfanges einzigartig in der
50jährigen NHS-Geschichte. Verbandssprecher aller Gesundheitsberufe
bezeichneten das zusätzliche Geld als warmen Regen, der dringend benötigt
werde.
Eine Auswirkung für die britische Apothekerschaft: Orale Kontrazeptiva werden
auch weiterhin vom NHS erstattet. Ursprünglich plante Gesundheitsminister Frank
Dobson für diesen Herbst den Ausschluß diverser oraler Kontrazeptiva von der
Erstattungsfähigkeit.
Die pharmazeutischen Hersteller im Königreich lobten die Entscheidung. Sprecher
der großen Apothekerverbände äußerten sich ebenfalls positiv. "Jedes Pfund, daß
zusätzlich für die Gesundheitsversorgung ausgegeben wird, ist willkommen", so eine
Sprecherin der Royal Pharmaceutical Society (RPS) zur PZ in London.
Der Anstieg der Rezeptgebühren wird nach Angaben des Gesundheitsministeriums in
den kommenden drei Jahren nicht höher als die jeweilige Inflationsrate ausfallen.
Dies dürfte nach Meinung der RPS dazu führen, daß Patienten öfter zu
verschreibungspflichtigen Medikamenten und seltener zu OTC-Präparaten greifen.
Für Dutzende von verschreibungspflichtigen Präparaten gibt es in Großbritannien
heute bereits verschreibungsfreie Alternativen. Der Gesetzgeber fördert seit Jahren
stärker als zum Beispiel der deutsche Gesetzgeber das Switching ethischer
Medikamente auf OTC-Statuts.
Britische Apotheker verdienen laut RPS mehr an OTC-Medikamenten als am
Beliefern von NHS-Rezepten. Insofern dürfte sich das Einfrieren der Rezeptgebühr
eher nachteilig auf die wirtschaftliche Lage der Apotheken im Königreich auswirken.
Trotzdem begrüßt die Apothekerschaft den Sonderetat. "Wir sind kein egoistischer
Berufsstand."
Die zwischen 1979 und 1997 regierenden Konservativen unter Margaret Thatcher
und John Major hatten den rund eine Million Menschen beschäftigenden NHS
finanziell stets am kurzen Zügel gehalten. Dementsprechend veraltet sind die
staatlichen Arztpraxen und Krankenhäuser. Experten schätzen den
Investitionsbedarf auf mehrere hundert Milliarden Mark.
Neben Krankenhäusern sollen tausende Primärarztpraxen zwischen London und
Liverpool modernisiert und medizintechnisch ins 20. Jahrhundert gebracht werden,
versprach Brown. Allein der Anschluß ans Internet wird laut RPS auch den
Apothekern nutzen, da die Kommunikation zwischen verschreibendem Arzt und
Apotheker verbessert werde. Ursprünglich geplante Erweiterungen der
Selbstbeteiligung der Patienten sind laut Brown auf Eis gelegt. Auch die für den
Herbst angekündigte Ausweitung der Negativliste (Selected List Scheme, SLS) wird
vernachlässigt.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London
© 1997 GOVI-Verlag
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