Politik
Mit insgesamt 384
Projekten zur Entwicklung neuer Arzneimittel sehen sich
die forschenden Arzneimittelhersteller als eine der
wichtigsten High-Tech-Branchen in Deutschland. Die
Projekte, die nach Angaben des Verbandes Forschender
Arzneimittelhersteller (VFA) bis zum Jahr 2000
erfolgreich abgeschlossen werden könnten, widmen sich
vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und
Störungen des Zentralnervensystems.
Im vergangenen Jahr hätten die VFA-Unternehmen mit 4,8
Milliarden DM 17, 5 Prozent ihres Umsatzes für Forschung
ausgegeben, sagte die Hauptgeschäftsführerin des
Verbandes, Cornelia Yzer, auf einer Pressekonferenz in
Bonn anläßlich der Präsentation einer neuen
Forschungsbroschüre des Verbandes.
Der Führer stellt die Forschungsprojekte der
VFA-Unternehmen vor und erläutert, welche Perspektiven
sich für die Patienten ergeben. Dadurch will der VFA die
Akzeptanz pharmazeutischer Forschung in Deutschland
verbessern. "Die Öffentlichkeit - und insbesondere
die Patienten und ihre Organisationen - erwarten zu Recht
Transparenz und Dialog über die Forschungsperspektiven
unserer Branche", sagte Yzer weiter.
Als Beispiele erfolgreicher Forschung in den vergangenen
Jahren nannte die VFA-Hauptgeschäftsführerin die
Kombinationstherapie bei Aids, die besseren
Behandlungsmöglichkeiten der Multiplen Sklerose durch
ß-Interferon und neue Medikamente zur Heilung bislang
nicht therapierbarer Formen von Brust- und
Eierstockkrebs.
In diesem Jahr rechnet Yzer mit der Zulassung von 50
neuen Arzneimitteln in Deutschland. Bis Ende Mai seien
bereits 18 Medikamente in den Markt eingeführt worden.
Bei ihren Forschungsanstrengungen konzentrierten sich die
Unternehmen jedoch nicht nur auf die großen
Volkskrankheiten, sondern suchten auch nach besseren
Arzneimitteln für seltene Krankheiten, etwa Morbus
Gaucher oder Mukoviszidose. Hier wünscht sich Yzer
allerdings stärkere Unterstützung durch die deutschen
und europäischen Behörden. Denn in den meisten Fällen
sei die Entwicklung von Medikamenten für seltene
Krankheiten für die Unternehmen nicht profitabel, es
bestünden wenig Chancen, durch den Verkauf die Kosten
wieder einzuspielen.
In den USA und Japan gebe es bereits Anreizsysteme für
die Entwicklung solcher Arzneimittel (Orphan Drugs). Das
Orphan-Drug-Gesetz habe seit 1983 bei 550 seltenen
Erkrankungen zu neuen Medikamenten geführt. Zur
Förderung der Forschung solle deshalb ein an die
europäische Zulassungsbehörde angegliedertes Komitee
zur Erteilung des Orphan-Drug-Status eingerichtet werden.
Um die Entwicklungskosten von Arzneimitteln dieser
Kategorie zu senken, sollte die Industrie die
Möglichkeit haben, bei klinischen Prüfungen die
Probandenzahl zu reduzieren, so Yzer weiter. Außerdem
wünscht sich der VFA ein schnelleres und gebührenfreies
Zulassungsverfahren. Ein exklusives Vermarktungsrecht
für die jeweilige Indikation sollte für zehn Jahre nach
der Zulassung bestehen.
Gentechnik kommt in Deutschland langsam in Fahrt
Positiv beurteilte Yzer die Entwicklung der Gentechnik in
Deutschland. Die verbesserten rechtlichen
Rahmenbedingungen und die größere Akzeptanz von
gentechnisch hergestellten Arzneimitteln hätten in den
vergangenen Jahren zu einem deutlichen Wachstum der
Biotech-Branche geführt. So sei die Zahl der Mitarbeiter
der VFA-Firmen in diesem Bereich um rund 7,5 Prozent auf
fast 1500 gestiegen. Zur Zeit haben 11
Mitgliedsunternehmen eine F&E-Abteilung, die in der
Biotechnik aktiv ist, sechs Firmen produzieren in
Deutschland biotechnische Arzneimittel.
Da die großen Unternehmen jedoch in der Biotechnik auf
das Know-how kleiner innovativer Firmen angewiesen sind,
hänge das weitere Wachstum der Branche davon ab,
inwieweit Wissenschaftler an den Universitäten bei der
Firmengründung unterstützt werden. Hier liege
Deutschland weit hinter den USA zurück, wo es
zahlreichen jungen Forschern mit Hilfe von
Risikokapitalfonds gelungen sei, ihre Erkenntnisse in
Kooperation mit großen Unternehmen zu vermarkten. Yzer:
"Jetzt muß auch der deutsche Markt die Zeichen der
Zeit erkennen. Insbesondere die kleinen spezialisierten
Start-up-Companies benötigen Risikokapital."
Der VFA will deshalb in Deutschland die Gründung solcher
Firmen fördern. Einige VFA-Unternehmen hätten bereits
eigene Risikokapitalfonds eingerichtet oder seien
maßgeblich daran beteiligt, so Yzer. Der VFA habe das
Ziel, "daß Deutschland der führende Standort für
die Erforschung und Produktion medizinischer Anwendung
der Gentechnik in Europa wird".
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Bonn
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