Erste Ergebnisse der Verhandlungen zu Richtgrößen |
30.06.1997 00:00 Uhr |
Politik
Geht es nach den Vorstellungen der
GKV-Spitzenverbände, können Richtgrößen getrennt für
Arznei- und Verbandmittel einerseits sowie für
Heilmittel andererseits vereinbart werden.
Differenzierungen sollen auch nach Altersgruppen möglich
sein.
Nicht in Richtgrößen einbezogen würden
überlebenswichtige Arzneien wie Insulin, Zytostatika
oder Präparate für Bluter. Mehr Spielraum gäbe es auch
für Vertragsärzte, die überdurchschnittlich viele
Krebs- und Multiple-Sklerose-Kranke, Aidspatienten und
andere chronisch Kranke behandeln: Derartige
"Praxisbesonderheiten" erhöhen die
Richtgrößen oder können bei
Wirtschaftlichkeitsprüfungen geltend gemacht werden.
Kontrollen werden automatisch fällig, wenn ein
niedergelassener Mediziner seine Richtgrößen um mehr
als 15 Prozent überzieht. Überschreitet der Arzt seine
Richtgrößen um mehr als 25 Prozent, wird sofort das
Honorar gekürzt es sei denn, die genannten
Praxisbesonderheiten liegen vor. Eine weitere
Möglichkeit dem Regreß zuvorzukommen: der Vertragsarzt
verpflichtet sich, die Überschreitungen durch
Einsparungen im folgenden Jahr wieder auszugleichen, also
entsprechend weniger Arznei-, Verband- und Heilmittel zu
verordnen.
BPI: Konzept ist rechtswidrig
Heftige Kritik am Richtgrößenkonzept der
Krankenkassen-Spitzenverbände übt der Bundesverband der
Pharmazeutischen Industrie (BPI). Die Kassen versuchten
wieder einmal, das Morbiditätsrisiko auf die
Vertragsärzte abzuwälzen, moniert BPI-Geschäftsführer
Peter Dewein. Darüber hinaus sei das Konzept
"offenkundig rechtswidrig".
Die Bonner Koalition habe mit dem zweiten
Neuordnungsgesetz ausdrücklich die Arznei- und
Heilmittelbudgets durch Richtgrößen ersetzen wollen.
Die gesetzliche Vorgabe wollten die Krankenkassen aber
offenbar nicht zur Kenntnis nehmen. Denn anders sei nicht
zu erklären, daß sie nach wie vor Budgets oder
sogenannte Ausgabenobergrenzen mit den KVen vereinbaren
wollten.
Nicht akzeptabel sei auch, wenn die Krankenkassen die
Richtgrößen nach Krankheitsarten gliedern wollten.
Einen derartigen Indikationsbezug habe die Bonner
Koalition aus guten Gründen nicht gestattet: Würden
tatsächlich Arzneimittel für bestimmte Krankheiten aus
den Richtgrößen ausgenommen, so Dewein, bestehe die
Gefahr, daß sich der Arzt aus rein wirtschaftlichen
Gründen für genau diese Medikamente entscheide, die
sein Richtgrößenbudget nicht belasteten. Dewein:
"Diese Substitution provozieren nun die
Kassen."
PZ-Artikel von Hans-Bernhard Henkel, Bonn
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