Politik
"Das Krankenhaus im 3. Jahrtausend - neue Versorgungsformen plus
Wirtschaftlichkeit!?" war das Thema des ersten gesundheitspolitischen und
-ökonomischen Diskussionsforums, zu dem die Vereinigte BKK Novitas am
27. Mai 1998 nach Duisburg eingeladen hatte. Der Vorstandsvorsitzende
dieser neuen Krankenversicherung, Dr. Alfred Jensen, begründete dieses
Angebot mit notwendigem, betriebswirtschaftlichem Denken und Handeln.
Dies werde im Gesundheitswesen gerade wegen der sozialpolitischen
Aufgaben zu einer Daueraufgabe und gehöre immer wieder auf den
Prüfstand.
Einen besonders wichtigen Ansatz biete die stationäre Versorgung, da hier das
meiste Geld ausgegeben werde. Kritik übte Jensen an der öffentlich-rechtlich
geprägten Struktur der meisten Krankenhäuser, die ein betriebswirtschaftliches
Handeln erschwerten. Er plädierte gleichzeitig dafür, die Trägerschaft und
Unternehmensführung eines Krankenhauses strikt zu trennen mit dem Ziel,
ökonomische und medizinische Erfolge für die Patienten zu erreichen.
Hierfür müsse ein Wettbewerbsrahmen abgesteckt werden. Die Schonzeiten für
eigentümliche deutsche Besonderheiten im stationären Bereich seien aufgrund des
einsetzenden europäischen Wettbewerbs (siehe jüngste EuGH-Urteile) bald
abgelaufen. Jensen sprach die gebündelten Interessen der Bundesländer als Gruppe
oder Träger der Krankenhäuser an, gegen die sich die Krankenkassen nur schwer
behaupten könnten. Die überkommenen Strukturen müßten einem neuen
Wettbewerb in der GKV Platz machen.
Die Gründung der Novitas Vereinigte BKK ab 1. Januar 1997, eine Fusion der
ehemaligen BKK von Thyssen Stahl mit 13 anderen BKKs, ist eine Antwort auf die
Wettbewerbsforderung, wie Jensen darlegte. Zugleich hat sich diese Krankenkasse
für jeden Versicherten geöffnet, die internen Organisationsstrukturen verändert und
weiterentwickelt. Über 300 Mitarbeiter in 34 Geschäftsstellen betreuen die 170.000
Versicherten. Die Zielsetzung sei, so Jensen, eine bestmögliche Versorgungsqualität
und kürzeste Wege für die Patienten sowie ein sich Kümmern um die kranken
Menschen. Diese Bereitschaft erwarte Novitas auch von allen anderen Akteuren im
Gesundheitswesen.
Mengenproblem bleibt
Deutliche Kritik an der weiter steigenden Mengenentwicklung im Krankenhaus
aufgrund der Gerätemedizin und des medizinischen Fortschritts äußerte der
Vorsitzende des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Karl Jung,
Staatssekretär a.D. Zu beklagen seien eine mangelnde Verzahnung von ambulanten
und stationären Leistungen sowie zahlreiche unnötige Doppeluntersuchungen. Jung
stellte jedoch zugleich klar, daß eine generelle Öffnung der ambulanten Versorgung
im Krankenhaus nicht wünschenswert sein könne und an den Reformbemühungen
vorbeigehe. Vor dem Hintergrund des Prestigedenkens der Länder und mangelnder
Bedarfsplanung habe sich die Selbstverwaltung der Krankenhäuser als völlig
unzureichend erwiesen.
Politik und Staat müßten darüber diskutieren, was von der GKV noch bezahlbar ist,
so Jungs dringende Empfehlung. Dies sei allerdings eine schwierige Aufgabe, denn
wer soll letztendlich bestimmen, was medizinisch notwendig ist und wo die Grenzen
der Wirtschaftlichkeit liegen? Über Pflegesatzverhandlungen seien die gewaltigen
Probleme der Finanzierung jedenfalls nicht zu lösen.
Verzahnung im NRW-Gesetzgebungsverfahren
Auch Dr. Hans Sendler, Leiter der Abteilung Gesundheit im Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, sprach sich für die
Ablösung des dualen durch ein monistisches Finanzierungssystem in den
Krankenhäusern aus. Voraussetzung sind hierfür leistungsadäquate Einnahmen,
Berechenbarkeit der Finanzerwartungen sowie Unabhängigkeit von fiskalischen
Schwankungen, wie Sendler in seinem Referat darlegte. Das in Nordrhein-Westfalen
ab 1999 anvisierte durchgängige Preissystem auf Selbstverwaltungsbasis sei ein
wichtiger Schritt in diese Richtung. Die im Gesetzgebungsprozeß befindliche Novelle
des Krankenhausgesetzes (KHG-NW-E) sehe darüber hinaus eine Zusammenarbeit
der Krankenhäuser untereinander, mit den niedergelassenen Ärzten, dem
öffentlichen Gesundheitsdienst, Rettungsdienst, den zuständigen Behörden sowie
Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, den Selbsthilfeorganisationen und
den Krankenkassen vor. Ziel sei eine sinnvolle Verzahnung von stationärer und
ambulanter Versorgung.
Notfallambulanzen
Einen aktiven Wettbewerbsbeitrag will die Vereinigte BKK Novitas leisten, wie
deren Vorstandsvorsitzender Jensen in einem dem Forum vorgeschalteten
Pressegespräch berichtete. Die Krankenkasse plant in einem Modellprojekt die
Einrichtung von Notfallambulanzen in oder an Kliniken und führt derzeit Gespräche
mit zwei Krankenhäusern sowie mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
Die Inanspruchnahme der rund um die Uhr mit Ärzten zu besetzenden Ambulanzen
durch Patienten anderer Versicherungen sei durchaus denkbar, dies setze allerdings
Verhandlungen voraus. "In echten Notfällen", so begründete Jensen den Vorteil,
"steht das Krankenhaus gleich zur Verfügung."
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Duisburg
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