Politik
Apotheker in
Großbritannien sollen stärker in das Meldesystem für
unerwünschte Arzneimittelwirkungen eingebunden werden.
Die britischen Apothekerverbände begrüßen die
Kompetenzerweiterung. Die Ärzteverbände sind gegen die
vom Gesundheitsministerium offiziell als Modellversuch
deklarierte Erweiterung der Aufgabenbereiche der
Apotheker.
Folgendes hat sich geändert: Seit dem 1. April
1997 sind Apotheker in diversen britischen Großstädten
offiziell damit beauftragt, Nebenwirkungen von
Arzneimitteln an die Behörden zu melden. Bisher war das
die alleinige Aufgabe von Ärzten, Zahnärzten und
Coronern (Beamte zur Untersuchung der Todesursache in
Fällen gewaltsamen oder unnatürlichen Todes).
Insgesamt nehmen rund 3200 Apotheker in den Städten
Liverpool, Birmingham, Cardiff und Newcastle an dem
Versuch teil. Die Apotheker sind damit beauftragt,
Nebenwirkungen an das Committee on the Safety of
Medicines (CSM) zu melden. Das CSM hat die Apotheker
darum gebeten, mit den Hausärzten der Patienten zu
kooperieren. Unklar ist, wie diese Kooperation genau
aussehen soll. "Das ist eine Grauzone", so eine
Sprecherin der National Pharmaceutical Association (NPA)
gegenüber der PZ in London. "Es fehlt noch an
schriftlich fixierten Regeln, was zur Aufgabe des Arztes
und was zu der des Apothekers zählt." Dieser Mangel
an klaren Kompetenzabgrenzungen hat bereits zum Streit
zwischen den Standesorganisationen geführt. Die
britischen Ärzte fürchten einen Kompetenzverlust.
Laut CSM ist das Meldesystem für
Arzneimittelnebenwirkungen verbesserungsbedürftig. Ein
Weg, die Meldehäufigkeit und -Genauigkeit zu verbessern,
sei die Einbeziehung von Apotheken. Nebenwirkungen werden
in Großbritannien im Rahmen des Yellow Card Scheme an
die Behörden gemeldet. Arzt, Zahnarzt, Coroner oder
Apotheker füllen eine gelbe Meldekarte aus, auf der
Details über die aufgetretenen Nebenwirkung vermerkt
werden. Die Karte wird dann an das CSM geschickt. Dort
werden alle Informationen gesammelt und beurteilt.
Die britische Arzneimittelbehörde (Medicines Control
Agency, MCA) befürwortet seit längerem die Ausweitung
des Yellow Card Scheme und die Einbeziehung von
Apothekern in das System. "Die Meldehäufigkeit und
die Genauigkeit, mit der unerwünschte
Arzneimittelnebenwirkungen registriert werden, kann
durchaus verbessert werden", so eine MCA-Sprecherin
auf Anfrage.
Die MCA war die treibende Kraft hinter der Einrichtung
der vier Modellprojekte in Liverpool, Birmingham,
Newcastle und Leeds. Allerdings hatte die Behörde laut
MCA darauf bestanden, daß die an dem Versuch
teilnehmenden Apotheker nur dann eine Nebenwirkung an die
Behörden melden können, wenn der Apotheker zuvor mit
einem Arzt über seinen Verdacht gesprochen hat.
Die MCA hält das für überflüssig. "Apotheker
sind kompetent genug, um eigenständig und ohne
ärztlichen Rat zu entscheiden, ob und wann eine Reaktion
zu melden ist", so eine NPA-Sprecherin. Die NPA -
einer der einflußreichsten Apothekerverbände in
Großbritannien - verlangt zweierlei: Die an den vier
Modellversuchen teilnehmenden 3200 Apotheker sollen auch
ohne ärztliche Rücksprache Nebenwirkungen an die
Behörden melden können und Apotheker sollen landesweit
und auf Dauer mit der Meldung unerwünschter
Arzneimittelwirkungen beauftragt werden. Britische
Ärzteverbände sind strikt dagegen.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London
© 1997 GOVI-Verlag
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