Politik
Allein für Arzneimittel werden die gesetzlich Krankenversicherten dieses
Jahr rund sieben Milliarden DM an Zuzahlungen aufbringen müssen, schätzt
der AOK-Bundesverband. "Das halte ich für einen Skandal", kritisierte
Verwaltungsratsvorsitzender Peter Kirch beim Presseseminar seines
Verbands im rheinland-pfälzischen Maria Laach. Eine steuernde Wirkung
der Selbstbeteiligung in ihrer bisherigen Form bestreite er. Qualitätsaspekte
müßten bei der Bemessung der Zuzahlungen im Vordergrund stehen. In
diesem Zusammenhang sprach er sich für ein Drei-Stufen-Modell aus, wie
es bereits der Bundesverband der Betriebskrankenkassen und in ähnlicher
Form der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller vorgeschlagen
hatten. Lebensnotwendige Arzneimittel sollten ganz von der Zuzahlung
befreit sein, für wirtschaftliche und wirksame Arzneimittel sollten die
Versicherten mit höchstens zehn Prozent zur Kasse gebeten werden.
"Unwirtschaftliche und unwirksame" Medikamente will die AOK über hohe
Zuzahlungen ganz vom Markt drängen.
Notwendig für die Einstufung als "lebensnotwendig", "wirksam" oder "umstritten" sei
eine größere Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt. Daher begrüßte Kirch
ausdrücklich das Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes zum
Arzneiverordnungsreport: "Unabhängige Pharmakologen können danach ungehindert
veröffentlichen, welche Arzneimittel nach ihrer wissenschaftlichen Einschätzung
umstritten sind."
Einen Rückgang in der Verordnung umstrittener Arzneimittel und einen verstärkten
Rückgriff auf Generika verzeichnet die AOK besonders bei denjenigen Ärzten, die
sich mit Hilfe der Software Pharmpro beraten ließen. Pharmpro wurde vom
Wissenschaftlichen Institut der 0rtskrankenkasse (Wid0) entwickelt und ist seit
einem halben Jahr im Einsatz. Allein in Hessen nehmen derzeit rund 1000
Allgemeinmediziner und Internisten die Beratung durch AOK-eigene Apotheker in
Anspruch.
Grundlage des Beratungsprogramms sind die Verordnungsdaten, die die Apotheken
den Kassen nach Paragraph 300 des Sozialgesetzbuchs V liefern. Diese werden mit
Patientendaten der AOK verknüpft. Auf diese Weise erhält der Arzt eine Analyse
seines Verschreibungsverhaltens, und zwar aufgeschlüsselt nach Indikationen und
nach Wirkstoffgruppen. Ausgewiesen werden auch die kostenintensivsten und die
am häufigsten verordneten Arzneimittelgruppen ebenso wie der Vergleich zum
Durchschnitt der Kollegen. Der Beratungsapotheker belehre den Arzt dabei nicht
mit erhobenem Zeigefinger, sondern halte ihm lediglich den Spiegel vor, betonte
WidO-Leiter Martin Litsch: "Wenn der Arzt seine individuellen Verordnungen im
Überblick sieht, erkennt er selbst seine irrationale Therapie.
PZ-Artikel von Ulrike Steckkönig, Bonn
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