Politik
von Karl H. Brückner, BonnFast drei Viertel der
Bundesbürger lesen den Beipackzettel, bevor sie ein Medikament einnehmen, aber über 40
Prozent haben dabei Verständnisschwierigkeiten. In diesen Fällen wenden sich fast zwei
Drittel der Patienten an den Arzt, knapp 40 Prozent fragen ihren Apotheker.
Das ergab eine repräsentative Umfrage des Forsa-Instituts (Berlin und Dortmund) im
Auftrag der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK). Mit Hilfe computergestützter
Interviews wurden telefonisch über 1000 Bürger ab 14 Jahre in West- und Ostdeutschland
befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Patienten machen keinen Unterschied bei selbst gekauften und verordneten Arzneien: 72
Prozent lesen den Zettel, bevor sie schlucken.
- Etwas häufiger als der Durchschnitt geben Bürger in den alten Ländern, Frauen, 30-
bis 44jährige und formal höher Gebildete an, stets zuerst den Beipackzettel zu lesen.
- Zwölf beziehungsweise 15 Prozent (die unterschiedlichen Angaben beziehen sich auf
selbstgekaufte und verordnete Medikamente) lesen den Beipackzettel "manchmal".
- Diese "gelegentlichen Leser" greifen vor allem dann zum Beipackzettel, wenn
sie das Medikament nicht kennen (78 und 71 Prozent), wenn sie Bedenken wegen der
Verträglichkeit haben (48 und 51 Prozent), oder wenn sie ihr Arzt oder Apotheker nicht
näher über das Präparat informiert hat (24 und 46 Prozent).
- Zehn beziehungsweise zwölf Prozent der Befragten lesen die Beipackzet-tel
"nie".
- Bei selbstgekauften Arzneien verhalten sich davon 37 Prozent so, weil sie der Meinung
sind, es handele sich nur um eine juristische Absicherung des Herstellers. Ein Drittel der
"Totalverweigerer" läßt sich lieber vom Apotheker informieren. 28 Prozent
begründen dies damit, daß sie den Beipackzettel in der Regel sowieso nicht verstünden.
Und jeder Vierte liest den Zettel nicht, weil ihn die Angaben über mögliche Risiken und
Nebenwirkungen nur verunsichern würde.
- Bei ärztlich verordneten Medikamenten ist das Vertrauen in die Kompetenz des Arztes
wesentlicher Grund (69 Prozent) für den Verzicht auf die Lektüre des Beipackzettels.
Etwa 35 Prozent halten dies für entbehrlich, weil verordnete Arzneien trotz etwaiger
Nebenwirkungen eingenommen werden müßten. Fast ebenso viele ignorieren den Zettel, weil
er nur der juristischen Absicherung diene. Ein Fünftel der Befragten lehnen die Lektüre
ab, weil sie sowieso nichts verstehen würden.
Die Verständlichkeit der Beipackzettel läßt aus Sicht der Bundesbürger zu wünschen
übrig: Etwa 43 Prozent, vor allem Patienten mit niedrigem Schulabschluß, haben
Verständnisschwierigkeiten, weil sie die medizinisch-fachlichen Begriffe nicht deuten
können. Fast ein Drittel muß ein Lexikon zu Rate ziehen. Sogar mehr als jeder Dritte
Abiturient und Studierte versteht nur Bahnhof. Andererseits gibt jeder Fünfte zu
Protokoll, er verstehe alles, was im Beipackzettel steht.
© 1999 GOVI-Verlag
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