Politik
Die geplante einheitliche europäische Währung erleichtert nach Ansicht
des FDP-Bundestagsabgeordneten Dieter Thomae in völlig neuen
gesundheitspolitischen Aufgabenfeldern grenzüberschreitende Aktivitäten.
Für den Vorsitzenden des parlamentarischen Gesundheitsausschusses
zählen dazu die Entwicklung von Managed-Care-Strukturen oder das
Disease Management.
Thomae erwartet, daß mit dem Euro Kostenunterschiede zwischen den
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schärfer hervortreten. Davon gehe ein
Anpassungsdruck aus, der auch vor den nationalen Gesundheitssystemen inklusive
der Arzneimittelversorgung nicht völlig haltmachen werde.
Im klassischen Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung habe die Europäische
Kommission gegenwärtig nur vergleichsweise enge Befugnisse. Dessen ungeachtet
dürfe nicht übersehen werden, daß Brüssel gemeinschaftsintern eine "systematische
Diskussion über die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme" anstrebe.
Es bleibe abzuwarten, inwieweit diese Aktivitäten als Einfallstor zu einer wie auch
immer gearteten "eigenen" Gesundheitspolitik genutzt würden. Nach Einschätzung
des Politikers wendet sich gegenwärtig aber noch eine Mehrheit der
EU-Mitgliedsstaaten dagegen.
BKK erwartet vom Euro mehr Kostentransparenz
Mit der neuen europäischen Gemeinschaftswährung verknüpft auch Wolfgang
Schmeinck, Chef des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, einige
Hoffnung. Er erwartet vom Euro vor allem eine bessere Preisübersicht am
Pharmamarkt. Darüber hinaus hält es der Kassenmanager für notwendig, daß die
Krankenversicherungsträger innerhalb der Europäischen Union der
grenzüberschreitend tätigen pharmazeutischen Industrie mit einer einheitlichen
Strategie begegnen.
Zunehmend, so klagt Wolfgang Schmeinck, brächten Hersteller von der
Europäischen Arzneimittelagentur zentral zugelassene Medikamente in der EU zu
einem einheitlichen Preis auf den Markt. Dieser aber entspreche in vielen Fällen
weder der angeblichen Innovation noch der zu erwartenden Absatzmenge oder gar
den Herstellungskosten. Aus Sicht der Kostenträger seien die verlangten Preise vor
allem dann nicht gerechtfertigt, wenn sich die industrielle Innovationsfreudigkeit
lediglich auf geringfügige Veränderungen bereits bekannter Moleküle beschränke.
Mitunter werde auch nur eine erweiterte Indikation beansprucht.
Schmeinck sieht die pharmazeutische Industrie auf europäischer Ebene gegenüber
der Krankenversicherung im Vorteil. Das gemeinschaftsweite zentrale
Zulassungsverfahren für Arzneimittel biete den Herstellern die Möglichkeit, den
gesamten Markt für neue Produkte in einem Zuge als Absatzgebiet zu erschließen.
Das erlaube der Branche zugleich, ihre Absatz- und Preisstrategie neu auszurichten.
Diesem Phänomen stünden die nationalen Gesundheitssysteme, insbesondere ihre
Krankenversicherungen, nahezu hilflos gegenüber. Auf dieser Ebene fehle
gegenwärtig ein Austausch von Informationen über die Erstattungsfähigkeit von
Produkten und den zu erstattenden Preis. Statt dessen förderten isolierte nationale
Aktivitäten zur Steuerung der jeweiligen Pharmamärkte eine nicht länger akzeptable
Intransparenz.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn
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