Politik
Die Zukunft hat begonnen - neue Versorgungsformen sind keine Vision
mehr. "Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Welt der Information und
Kooperation", erklärte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes
Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) jetzt in Windhagen vor
Journalisten. Cornelia Yzer präzisierte, wie sich der VFA die Entwicklung
vorstellt und wünscht.
Yzer plädiert dafür, die erstarrte Gesellschaft und damit auch das Gesundheitswesen
mit seinen überholten Versorgungsformen aufzubrechen. Die befürchteten Risiken
einer Veränderung stammten ihrer Meinung nach eher aus ungewissen Vermutungen
denn aus klaren Analysen. Sie ist überzeugt, daß neue Versorgungsformen mehr
Chancen als Risiken bieten, wenn wir es richtig anpacken.
Die Neustrukturierung richtig anpacken heißt für den VFA: Eine Gesamtbetrachtung
ist der Beobachtung einzelner Schritte vorzuziehen. Also integrierte Versorgung statt
sektoraler Abgrenzung. Eine alleinige Koppelung von Honoraren und Arzneimitteln
würde in eine Sackgasse führen. In einem Konzept der integrierten Versorgung
hätten die forschenden Arzneimittelhersteller ihre Rolle:
o Die forschenden Arzneimittelhersteller werden mit der Entwicklung innovativer
Arzneimittel die Grundlage für therapeutische und organisatorische Innovationen
bereitstellen.
o Sie agieren verstärkt als Kooperationspartner für Anbieter und Nachfrager im
Gesundheitswesen.
o Sie können bei bestimmten Indikationen mit Disease-Management-Konzepten als
eigenständige Anbieter nachgefragt werden.
Für diese Schritte bräuchten alle Beteiligten Mut, um ihre und andere Handlungs-
und Entscheidungsspielräume zu erweitern und damit eine gleichberechtigte
Wahrnehmung der Optionen zu ermöglichen. "Dabei müssen sich die Beteiligten - ob
Kassen, Ärzte, Apotheker, pharmazeutische Industrie oder andere Akteure -
darüber im klaren sein, daß das kurzfristig mit Einbußen im eigenen Bereich
einhergehen kann", so Yzer, die davon überzeugt ist, daß sich auf Dauer die bessere
Lösung durchsetzt.
Modelle haben derzeit einen zu engen Fokus
Strukturverträge und Versorgungsformen haben nach Yzers Überzeugung in
Deutschland noch einen viel zu engen Fokus. Die vordringlichste Frage dürfe nicht
lauten: Wie sparen wir an Arzneimitteln? Wir müßten vielmehr fragen: Wie können
wir die Gesamtbehandlung optimieren und dabei die Qualität erhalten oder
verbessern und die Gesamtkosten senken? Dabei müsse man sich von einer
sektoralen Betrachtung trennen, die reine Kostenmanagement-Diskussion
überwinden und zu einem integrierten Kosten- und Qualitätsmanagement kommen.
Die forschenden Arzneimittelhersteller werden die Kassen als einen ihrer Kunden
auffassen und ihnen innovative Arzneimittel anbieten. Sie werden aber auch
organisatorische Innovationen entwickeln, den Kassen offerieren und sie im
Versorgungsmanagement beraten. "Dieses Gesamtpaket wird entscheidend über ihre
zukünftige Position am Markt bestimmen", so Yzer.
Hess: Regreßdruck ist für Ärzte unerträglich
Als unerträglich empfinden die Vertragsärzte den wachsenden ökonomischen Druck
und die immer stärker werdende Reglementierung der vertragsärztlichen Tätigkeit,
sagte Dr. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV). Noch mehr Reglementierung und Budgetierung würde
das System endgültig zum Scheitern bringen. Es müsse daher nach Wegen gesucht
werden, die den Konkurrenzdruck unter den Vertragsärzten systematisch abbauen
und ökonomische Anreize für ein wirtschaftliches Verordnungsverhalten an die Stelle
von Regreßdrohungen und Reglementierungen setzen.
Mit der gesetzlichen Grundlage in § 73 a SGB V zum Abschluß von
Strukturverträgen habe der Gesetzgeber einen Anreiz für Ärzte geschaffen.
Vernetzte Praxisstrukturen könnten die Konkurrenzsituation zwischen einzelnen
Praxen aufheben, bei den medizinischen Geräten sparen und
Krankenhauseinweisungen vermeiden. Eine unter Qualitätsgesichtspunkten
getroffene Entscheidung, auf welchen Arzneimittelschatz man in einem solchen
Praxisnetz zurückgreifen wolle, könne ebenfalls Wirtschaftlichkeitreserven
mobilisieren.
PZ-Artikel von Gisela Stieve, Windhagen
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