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Anklage gegen Kettenleiter

22.09.1997  00:00 Uhr

- Politik

Govi-Verlag

Anklage gegen Kettenleiter

Mit dem Vorwurf der Bildung einer illegalen Apothekenkette, wegen Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt und Subventionsbetrug hat die Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen den Mindener Apotheker Günter Stange erhoben.

Nach zweijährigen Ermittlungen und der Auswertung von rund 1200 beschlagnahmten Aktenordnern hält die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten damit offensichtlich für die genannten Straftaten für hinreichend verdächtig. Nach intensiven eigenen Recherchen hatte die Bundesapothekerkammer im August 1995 Strafanzeige wegen des Verdachtes der unerlaubten Kettenbildung erstattet. Es war ihr gelungen, anhand umfangreichen Beweismaterials den Tatverdacht soweit zu untermauern, daß ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Offenbar wurden die vorgetragenen Verdachtsmomente nicht nur bestätigt, sondern durch weitere Beweismittelfunde übertroffen.

Wie sich aus einer Pressemitteilung des leitenden Oberstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 9. September 1997 ergibt, wird in der 371 Seiten umfassenden Anklageschrift im wesentlichen der Vorwurf gegen Stange erhoben, seit 1988 eine Apothekenkette aufgebaut zu haben, zu der zuletzt mindestens 32 Filialapotheken gehört haben sollen. Das verfassungsrechtlich bestätigte Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" soll durch verdeckte Verträge und Absprachen unterlaufen worden sein. Durch Anzeigen in pharmazeutischen Fachzeitschriften habe Stange vor allem zu berufsunerfahrenen approbierten Apothekern Kontakt aufgenommen, um sie als Leiter in den von ihm schlüsselfertig eingerichteten Filialen einzusetzen. Diese Strohleute soll er nach Aussage der Staatsanwaltschaft veranlaßt haben, mit falschen Angaben über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Apotheke Betriebserlaubnisse auf ihren Namen zu erschleichen.

Da einige "Kettenmitglieder" zudem ihre falschen Angaben gegenüber den Genehmigungsbehörden eidesstattlich bekräftigt und zu Unrecht staatliche Existenzförderungsmittel in Anspruch genommen hätten, lautet der Anklagevorwurf auch auf Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt und Subventionsbetrug.

Nach Einschätzung des verantwortlichen Oberstaatsanwaltes dürften die nicht in Filialketten organisierten Apotheker und die Öffentlichkeit großes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Letztlich werde es darum gehen, ob ein Apotheker, der sich dem gesetzlichen Auftrag entsprechend vorrangig als Organ des Gesundheitswesens und als Ratgeber der Patienten versteht, strafrechtlichen Schutz vor Konkurrenten erhält, die Umsatz- und Gewinnoptimierung den Vorrang einräumen.

Die ebenfalls von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen gegen die Strohleute wurden dem Vernehmen nach abgetrennt, ohne daß hiermit von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen worden wäre.

Von den umfangreichen Beschlagnahmeaktionen der Staatsanwaltschaft und den von ihr durchgeführten Zeugenvernehmungen profitierten im Verlauf des Verfahrens auch die für die Erteilung von Apotheken-Betriebserlaubnissen zuständigen Behörden der Länder. Im Wege der Amtshilfe hatten sie ebenso wie die betroffenen Apothekerkammern der Länder die Möglichkeit, sich ein Bild über mögliche Rechtsverstöße in ihrem Zuständigkeitsbereich zu machen und ein Einschreiten ihrerseits gegen die betreffenden Apotheker zu prüfen.

In mehreren Fällen wurde Apothekenleitern, die der Apothekenkette zugerechnet werden, die Erlaubnis für den Betrieb ihrer Apotheke unter Anordnung des Sofortvollzugs entzogen. Während die Schließung der Königstor-Apotheke vom Bundesverfassungsgericht bis zur Entscheidung über die von Apotheker Stange eingelegte Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wurde, wurden andere Apotheken zwischenzeitlich geschlossen oder eine Betriebserlaubnis gar nicht erst erteilt. In einigen Fällen sind gerichtliche Auseinandersetzungen derzeit anhängig.

Diejenigen Apotheken, die sich Rechtsverstöße haben zuschulden kommen lassen, müssen daneben auch mit berufsordnungsrechtlichen Verfahren rechnen, die von den Apothekerkammern bei den Berufsgerichten beantragt werden können.

Entgegen aller Unkenrufe, die von interessierter Seite die Berechtigung der von der Bundesapothekerkammer erhobenen Vorwürfe in Frage stellten, zeigt die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage, daß die Strafanzeige sachlich und fundiert war. Ob die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Leiter der Apothekenkette zu straf-, verwaltungs und/oder berufsordnungsrechtlichen Konsequenzen führen, werden die jeweiligen gerichtlichen Überprüfungen ergeben.

PZ-Artikel von Lutz Tisch, Aschaffenburg
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