Politik
Mit dem Vorwurf der Bildung einer illegalen Apothekenkette, wegen
Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt und Subventionsbetrug
hat die Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen der
Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen den Mindener Apotheker
Günter Stange erhoben.
Nach zweijährigen Ermittlungen und der Auswertung von rund 1200
beschlagnahmten Aktenordnern hält die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten
damit offensichtlich für die genannten Straftaten für hinreichend verdächtig. Nach
intensiven eigenen Recherchen hatte die Bundesapothekerkammer im August 1995
Strafanzeige wegen des Verdachtes der unerlaubten Kettenbildung erstattet. Es war
ihr gelungen, anhand umfangreichen Beweismaterials den Tatverdacht soweit zu
untermauern, daß ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eröffnet wurde.
Offenbar wurden die vorgetragenen Verdachtsmomente nicht nur bestätigt, sondern
durch weitere Beweismittelfunde übertroffen.
Wie sich aus einer Pressemitteilung des leitenden Oberstaatsanwalts der
Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 9. September 1997 ergibt, wird in der 371 Seiten
umfassenden Anklageschrift im wesentlichen der Vorwurf gegen Stange erhoben,
seit 1988 eine Apothekenkette aufgebaut zu haben, zu der zuletzt mindestens 32
Filialapotheken gehört haben sollen. Das verfassungsrechtlich bestätigte Leitbild des
"Apothekers in seiner Apotheke" soll durch verdeckte Verträge und Absprachen
unterlaufen worden sein. Durch Anzeigen in pharmazeutischen Fachzeitschriften habe
Stange vor allem zu berufsunerfahrenen approbierten Apothekern Kontakt
aufgenommen, um sie als Leiter in den von ihm schlüsselfertig eingerichteten Filialen
einzusetzen. Diese Strohleute soll er nach Aussage der Staatsanwaltschaft veranlaßt
haben, mit falschen Angaben über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
der Apotheke Betriebserlaubnisse auf ihren Namen zu erschleichen.
Da einige "Kettenmitglieder" zudem ihre falschen Angaben gegenüber den
Genehmigungsbehörden eidesstattlich bekräftigt und zu Unrecht staatliche
Existenzförderungsmittel in Anspruch genommen hätten, lautet der Anklagevorwurf
auch auf Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt und Subventionsbetrug.
Nach Einschätzung des verantwortlichen Oberstaatsanwaltes dürften die nicht in
Filialketten organisierten Apotheker und die Öffentlichkeit großes Interesse am
Ausgang des Verfahrens haben. Letztlich werde es darum gehen, ob ein Apotheker,
der sich dem gesetzlichen Auftrag entsprechend vorrangig als Organ des
Gesundheitswesens und als Ratgeber der Patienten versteht, strafrechtlichen Schutz
vor Konkurrenten erhält, die Umsatz- und Gewinnoptimierung den Vorrang
einräumen.
Die ebenfalls von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen gegen die
Strohleute wurden dem Vernehmen nach abgetrennt, ohne daß hiermit von einer
strafrechtlichen Verfolgung abgesehen worden wäre.
Von den umfangreichen Beschlagnahmeaktionen der Staatsanwaltschaft und den von
ihr durchgeführten Zeugenvernehmungen profitierten im Verlauf des Verfahrens auch
die für die Erteilung von Apotheken-Betriebserlaubnissen zuständigen Behörden der
Länder. Im Wege der Amtshilfe hatten sie ebenso wie die betroffenen
Apothekerkammern der Länder die Möglichkeit, sich ein Bild über mögliche
Rechtsverstöße in ihrem Zuständigkeitsbereich zu machen und ein Einschreiten
ihrerseits gegen die betreffenden Apotheker zu prüfen.
In mehreren Fällen wurde Apothekenleitern, die der Apothekenkette zugerechnet
werden, die Erlaubnis für den Betrieb ihrer Apotheke unter Anordnung des
Sofortvollzugs entzogen. Während die Schließung der Königstor-Apotheke vom
Bundesverfassungsgericht bis zur Entscheidung über die von Apotheker Stange
eingelegte Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wurde, wurden andere Apotheken
zwischenzeitlich geschlossen oder eine Betriebserlaubnis gar nicht erst erteilt. In
einigen Fällen sind gerichtliche Auseinandersetzungen derzeit anhängig.
Diejenigen Apotheken, die sich Rechtsverstöße haben zuschulden kommen lassen,
müssen daneben auch mit berufsordnungsrechtlichen Verfahren rechnen, die von den
Apothekerkammern bei den Berufsgerichten beantragt werden können.
Entgegen aller Unkenrufe, die von interessierter Seite die Berechtigung der von der
Bundesapothekerkammer erhobenen Vorwürfe in Frage stellten, zeigt die von der
Staatsanwaltschaft erhobene Anklage, daß die Strafanzeige sachlich und fundiert
war. Ob die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Leiter der Apothekenkette zu straf-,
verwaltungs und/oder berufsordnungsrechtlichen Konsequenzen führen, werden die
jeweiligen gerichtlichen Überprüfungen ergeben.
PZ-Artikel von Lutz Tisch, Aschaffenburg
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