Politik
Die Apotheke als reine Abgabestelle für Arzneimittel ist passé. Als
Arzneimittelfachmann seien die Apotheker sowohl Berater der Ärzte als
auch der Patienten, sagte Dr. Hartmut Schmall, Präsident der
Bundesapothekerkammer (BAK) auf der Eröffnungsveranstaltung zum
Pharmacon Westerland am 14. September. Doch können die Apotheker ihre
neuen Aufgaben nur wahrnehmen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Schmall zog ein positives Resümée der Kooperationen zwischen Ärzten und
Apothekern, die bislang jedoch auf Erprobungen und Einzelfälle beschränkt seien.
Ebenfalls zufrieden zeigte sich der BAK-Präsident mit den ersten Ansätzen zur
Pharmazeutischen Betreuung. Wenn der Apotheker den Patienten über die gesamten
Therapiedauer begleite, profitiere davon nicht nur der Kranke, sondern auch die
Solidargemeinschaft. Patienten, die ihre Arzneimittel korrekt einnehmen sind
gesünder und somit auch preiswerter für die Krankenkassen als diejenigen, die
Fehler bei der Einnahme machen.
Schmall erwartet, daß zukünftig nicht mehr alle Leistungen der Apotheker über die
Abgabe von Arzneimitteln honoriert werden können. Die
Arzneimittelpreisverordnung sei zu einer Zeit erlassen worden, zu der die
Unterstützung der Ärzte in der Pharmakotherapie und Pharmazeutische Betreuung
noch kein Thema waren. Abgesehen von der Kappung im hochpreisigen Bereich
blieben die Apothekenzuschläge seit 20 Jahren unverändert.
Mittlerweile müßten Apotheker eine ganze Reihe von zusätzlichen Leistungen
erbringen. Es sei an der Zeit, darüber nachzudenken, wie diese Tätigkeiten honoriert
werden könnten. Wenn der Apotheker dabei helfe, Behandlungskosten zu
reduzieren, müsse er auch selbst von den Einsparungen profitieren.
Eine Abkehr von der Arzneimittelpreisverordnung bedeutet dies freilich nicht. Sie ist
als Honorarsystem für die Apotheker unverzichtbar. Schmall kritisierte deshalb auch
die Versuche von Krankenkassenfunktionären, den einheitlichen Abgabepreis für
Arzneimittel auszuhebeln.
Kassen fehlt ökonomisches Verständnis
Eine klare Absage erteilte der BAK-Präsident dem jüngsten Positionspapier der
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen. Darin hatten die
Krankenkassen neben der Möglichkeit, Verträge mit einzelnen Leistungsanbietern
abzuschließen, eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes gefordert. Eine
kartellierte und monopolisierte Anbieterseite (Ärzte und Apotheker) sei
unökonomisch und behindere den Wettbewerb. So die Begründung der Kassen.
Aus Schmalls Sicht sind die Vorschläge kontraproduktiv und ein Hemmnis für den
Wettbewerb. Mit der Möglichkeit, Einzelverträge zu schließen, erhielten die Kassen
eine unüberschaubare Marktmacht. Faktisch forderten die Kassen damit genau das
für sich, was sie den Leistungserbringern unterstellen, nämlich monopolisierte
Strukturen. Schmalls Fazit: "Die Krankenkassen haben die elementaren
ökonomischen Grundsätze offenkundig immer noch nicht verstanden."
Europaweites Verbot des Versandhandels
Auch beim Thema Versandhandel sieht der BAK-Präsident keinen Grund, die
Hände in den Schoß zu legen. Das in der 8. Novelle des Arzneimittelgesetzes
verankerte Verbot sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch könne nur eine
europäische Regelung tatsächlich den Versand von Arzneimitteln nach Deutschland
stoßen. Angesichts der Möglichkeiten, die das Internet bietet, sei ein nationales
Verbot nicht ausreichend.
Die Unterstellung, den Versandhandel nur aus egoistischen ökonomischen Interessen
abzulehnen, wies Schmall zurück. Hier geht es nicht um die Sicherung der eigenen
Pfründe, hier geht es darum, möglichem Schaden des Patienten durch Arzneimittel
vorzubeugen." Der Patient kann weder die Qualität eines ausländischen Präparates
prüfen, noch dessen Nebenwirkungen abschätzen.
Bei der Mehrwertsteuer strebt die BAK ebenfalls eine einheitliche europäische
Lösung an. Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten erhebt die
Bundesrepublik den vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel. Bei teuren
Präparaten entstehe allein durch die unterschiedlichen Steuersätze eine
Preisdifferenz, die bei gleichem Herstellerabgabepreis den Versand aus dem
Ausland attraktiv mache. Schmall: "Wenn es der Politik mit dem Verbot des
Versandhandels ernst ist, dann muß sie sich auf europäische Ebene für eine
Harmonisierung der Mehrwertsteuer einsetzen."
Zufrieden zeigte sich Schmall mit der Weiterentwicklung der Ausbildungsordnung.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe habe die Notwendigkeit
erkannt, daß sich die Ausbildung der neuen Apothekergeneration an den
Anforderungen des Berufsbildes im 21. Jahrhundert orientieren müsse. Die
Zwischenergebnisse der Arbeitsgruppe lassen hoffen, daß es die neue
Ausbildungsordnung Apothekern ermöglicht "sich den zukünftigen
Herausforderungen unseres Berufes zum Wohle des Patienten zu stellen".
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Westerland
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