Politik
Fast 3000 Apotheker und Apothekerinnen aus mehr als 80 Ländern
kamen zum 57. Weltkongreß der Pharmazie und der Pharmazeutischen
Wissenschaften der Fédération Internationale Pharmaceutique (FIP) vom
31. August bis 5. September nach Vancouver, um entsprechend dem Motto
der Tagung "Verantwortung für die Zukunft übernehmen", die
Weiterentwicklung des Berufstandes zu diskutieren. Die Analyse zeigte,
daß weltweit die Rolle des Apothekers in der Gesellschaft neu definiert
werden muß.
Dr. Dieter Steinbach, Präsident der FIP, betonte in seiner Eröffnungsansprache am
Montag morgen, wie auch in der Councilsitzung am Sonntag, die pharmazeutische
Welt sei schwieriger geworden. Deshalb sei es sein Bestreben gewesen, während
seiner Präsidentschaft der FIP ein größeres politisches Mandat zu verschaffen, um
die in den FIP-Arbeitsgruppen entwickelten Thesen auf den nationalen Ebenen
besser durchsetzen zu können. Dabei habe seine Organisation die Zusammenarbeit
mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gesucht, um mehr Autorität zu
erlangen.
Ein Ergebnis dieser Arbeit sei das gemeinsame FIP/WHO-Dokument über Good
Pharmacy Practice (GPP), das in Tokio 1993 von den FIP-Gremien verabschiedet
wurde und nun in der Endfassung auch den Segen des WHO-Expertengremiums
bekommen habe. Die Richtlinie verpflichte alle pharmazeutischen Organisationen, mit
den nationalen Regierungen zusammenzuarbeiten, um geeignete nationale Standards
für die pharmazeutische Praxis zu definieren und zu etablieren. Teil der GPP sei die
Pharmazeutische Betreuung, international als Pharmaceutical Care bezeichnet. Dafür
habe die FIP weltweit eine Pionierfunktion übernommen mit dem Ziel, dem
Apotheker eine verantwortliche Rolle in der Arzneimitteltherapie sowohl in der
Selbstmedikation als auch bei verschriebenen Arzneimitteln zu verschaffen. Idee der
Pharmazeutischen Betreuung sei aber, die Lebensqualität des Patienten zu
verbessern. Nur so könne die Existenz der Institution Apotheke gesichert werden.
Dazu gehöre allerdings auch, daß der Apotheker eine bedeutendere Rolle bei der
Auswahl des Arzneimittels spielen müsse.
Ein entsprechendes Statement, das die Autorität des Pharmazeuten insbesondere bei
der generischen Substitition definieren soll, stieß allerdings nach intensiver Diskussion
in der Councilsitzung und in einem für alle FIP-Mitglieder offenen Symposium auf
den entschiedenen Widerstand der Industriepharmazeuten. Sie stellten prinzipiell den
verantwortlichen, kompetenten Austausch eines Arzneimittels durch den Apotheker
in Frage. Trotzdem wurde das Statement mit einigen Änderungen vom Council
gegen die Stimmen der Industrie und bei Enthaltungen von drei
Mitgliedsorganisationen mit großer Mehrheit angenommen.
Zwei weitere Statements hingegen, eines über die gute Praxis bei der Weitergabe
von Arzneimittelspenden, ebenfalls mit der WHO abgestimmt, und eines über die
ethischen Grundregeln für Pharmazeuten - fanden über Interessengrenzen hinweg die
ungeteilte Zustimmung des FIP-Beirates.
Mit dem Motto der Tagung "Mehr Verantwortung für die Zukunft übernehmen"
forderte Steinbach in seiner Eröffnungsansprache alle Kolleginnen und Kollegen
weltweit auf, durch neue Konzepte Barrieren einzureisen und dem Berufsstand einen
neuen Horizont zu geben. Die Pharmazeuten müßten sich, wie auch andere
Heilberufe, dem Wandel der Gesellschaft anpassen und sich den Problemen der Zeit
stellen.
Steinbach begrüßte die von der WHO und der FIP gestartete Initiative in Sachen
HIV/Aids. In einer gemeinsamen Erklärung, die am 2. September von Dr. Fernando
Antezana, Direktor der WHO, und dem FIP-Präsidenten unterschrieben wurde,
wird die Rolle des Pharmazeuten im Kampf gegen HIV und Aids definiert, wobei
die Aufklärung durch den Pharmazeuten als Hauptengagement beschrieben wird.
Als weiteres Beispiel für die Ausweitung von Kooperationen nannte Steinbach die
von der FIP und dem Weltverband der Mediziner eingesetzte Arbeitsgruppe, die in
einem gemeinsamen Statement unter dem Titel "Medicines with respect" einen
verantwortlichen Umgang mit Arzneimitteln fordert und alle Techniken ablehnt, die
geeignet sind, den unkritischen Gebrauch von Arzneimitteln zu fördern. Das
gemeinsame Statement sei ein Meilenstein in der Geschichte der FIP, so Steinbach.
Die Zusammenarbeit soll weiter ausgebaut werden, "um das Edikt von Palermo zu
modernisieren". Die Pflichten der Pharmazeuten und die der Ärzte müßten
wechselseitig neu definiert werden. Die Anwesenheit des Beiratsvorsitzenden des
Weltärzteverbandes, Dr. Andres Milton, in Vancouver belegte, daß auch die Ärzte
diese Kooperation suchen.
Schließlich räumte Steinbach ein, daß in vielen Teilen der Welt die Pharmazeuten
von ihren Idealen noch weit entfernt sind. "Aber Ideale sind wie Sterne: Wir können
sie vielleicht jetzt noch nicht erreichen, aber wir müssen es immer wieder versuchen!"
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Vancouver
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