Politik
"Ein schlechtes Gesetz. Es hält die Bürger nicht vom Autofahren ab, da
es zu viele Ausnahmeregeln gibt." Mustafa Dömmaez, Leiter des
Ministerienbüros im Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend,
Familie und Gesundheit, reagierte mißmutig auf das Fahrverbot, das Mitte
letzter Woche in einigen Bundesländern als Folge sehr hoher
Ozonkonzentrationen ausgerufen wurde.
Zum ersten Mal führte das zuletzt im Juli 1995 geänderte
Bundes-Immissionsschutzgesetz zu einem tatsächlichen Fahrverbot. In den
Folgetagen ging das Verbot jedoch als eines, das keines war, in die jüngere
Umweltgeschichte ein. Dabei hatten Funk und Fernsehen in zum Teil dramatischen
Formulierungen auf die Situation und das Verbot hingewiesen. Die Resonanz war
niederschmetternd: Am Verbotstag lag der Verkehrsrückgang im Vergleich zu
"normalen" Tagen im Promillebereich. Ein Zeichen dafür, wie unwirksam das Gesetz
ist. Diese Meinung teilten Umweltschutzverbände, Gesundheitslobbyisten und
Bundes- wie Landespolitik nahezu unisono.
Der per Gesetz definierte Kraftfahrzeugausnahmezustand herrschte am 12. August
befristet in Baden-Württemberg, Hessen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland. In den
betroffenen Großstädten, die einen funktionierenden Öffentlichen
Personennahverkehr als Alternative zum eigenen Auto anbieten, stiegen nur wenige
Pendler vom PKW auf Bus oder Bahn um. Ursache für diese schwache Akzeptanz
sind nicht nur die Vielzahl der Ausnahmen in der Gesetzesänderung vom 18. Juli
1995, sondern auch deren mehr als konsequente Ausnutzung durch die Bürger.
Bußgelder von 80 DM, die im übrigen nur von baden-württembergischen Beamten
kassiert wurden, schreckten nur vereinzelt ab, vermutlich weil die Polizei öffentlich
ankündigte, daß man von Kontrollen "wegen endloser Debatten mit den
PKW-Nutzern am Straßenrand" absehen wolle.
So machten seit dem Tag des Fahrverbots nicht nur die Organe der Polizei ihrem
Unmut über die "nicht eng genug gefaßten Ausnahmeregelungen", so Hermann Lutz,
Gewerkschaft der Polizei, Luft, sondern auch die Vertreter der Ministerien. Ein
Appell des hessischen Umweltstaatssekretärs Rainer Baake, "sich an
Verkehrsverbote zu halten und nicht von den zahlreichen Ausnahmemöglichkeiten
Gebrauch zu machen", datiert vom 11. August, erreichte die Redaktionen als
Mitteilung auf dem Postweg aber erst am 14. August. Da war das Verbot längst
aufgehoben, ein neues nicht in Sicht. Denn hierfür müssen immerhin Grenzwerte von
240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, und das an verschiedenen Meßstationen,
erreicht werden.
Der lang ersehnte Sommer, der in Form von Hitze, Smog und hohen Ozonwerten
nun doch die Republik erreichte, läßt der Politik keine Ruhe; die Diskussion wird
angeheizt durch die ausschweifende Ozon- und Fahrverbotsberichterstattung in den
Medien. Schließlich können solcherlei sommerliche Auswirkungen auch bei
Kranken, älteren Menschen und Kindern für Befindlichkeitsstörungen sorgen.
Problematisch ist, daß die Bundesländer das Bundesimmissionsschutzgesetz sehr
unterschiedlich handhaben, nicht zuletzt eine Auslegung der jeweils regierenden
Couleur. So hatte sich das nordrhein-westfälische Umweltministerium von Bärbel
Höhn (Bündnis90/Die Grünen) bereits für ein Fahrverbot entschieden, war im
Kompetenzgerangel jedoch dem Düsseldorfer Verkehrsministerium, geführt von
Schröder-Berater Bodo Hombach, der sich für ein Abwarten aussprach, unterlegen.
Zahlreiche Politiker, aber auch Vertreter der Umweltschutzverbände degradierten
die Auslegung des Gesetzes und damit das Gesetz selber zur Farce. So bezeichnete
der ADAC die Ozonfahrverbote als weder praktikabel noch wirksam. Schließlich
seien 80 Prozent der Kraftfahrzeuge als schadstoffarm eingestuft und dürften trotz
der Verbote fahren. Nach Auffassung des Automobilclubs habe das Verbot
überdies keine Auswirkung auf die Ozonkonzentration.
Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. forderte dessen
Bundesgeschäftsführer Gerd Billen: "Fahrverbote und Nutzungseinschränkungen
müssen auch durchgesetzt werden. Deshalb muß der Wildwuchs der bestehenden
Ausnahmeregelungen radikal beschränkt werden."
Bundesumweltministerin Angela Merkel bezeichnete das Gesetz in den vergangenen
Tagen indes als "die schärfste Regelung in der Welt", während die SPD-Opposition
im Bundestag aus dem Immissions- ein "Placebo-Gesetz" machte. Das
Merkel-Ministerium mußte allerdings auch ein "Redaktionsversehen" bei der
Gesetzesformulierung und der "Landkreisregelung" eingestehen. Letztere sollte
eigentlich laut mündlicher Absprache der Gesetzesgestalter nur für die kleineren
Bundesländer gelten. Nach Meinung zum Beispiel von Höhn könnte die Regelung
auf alle Länder übertragbar sein. Dann hätte ein Fahrverbot, ob insgesamt
erfolgreich oder nicht, schneller ausgesprochen werden können.
PZ-Artikel von Thomas Bellartz, Eschborn
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