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Ausnahmen überholen Ozonfahrverbot

17.08.1998  00:00 Uhr

- Politik

Govi-Verlag

Ausnahmen überholen Ozonfahrverbot

"Ein schlechtes Gesetz. Es hält die Bürger nicht vom Autofahren ab, da es zu viele Ausnahmeregeln gibt." Mustafa Dömmaez, Leiter des Ministerienbüros im Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit, reagierte mißmutig auf das Fahrverbot, das Mitte letzter Woche in einigen Bundesländern als Folge sehr hoher Ozonkonzentrationen ausgerufen wurde.

Zum ersten Mal führte das zuletzt im Juli 1995 geänderte Bundes-Immissionsschutzgesetz zu einem tatsächlichen Fahrverbot. In den Folgetagen ging das Verbot jedoch als eines, das keines war, in die jüngere Umweltgeschichte ein. Dabei hatten Funk und Fernsehen in zum Teil dramatischen Formulierungen auf die Situation und das Verbot hingewiesen. Die Resonanz war niederschmetternd: Am Verbotstag lag der Verkehrsrückgang im Vergleich zu "normalen" Tagen im Promillebereich. Ein Zeichen dafür, wie unwirksam das Gesetz ist. Diese Meinung teilten Umweltschutzverbände, Gesundheitslobbyisten und Bundes- wie Landespolitik nahezu unisono.

Der per Gesetz definierte Kraftfahrzeugausnahmezustand herrschte am 12. August befristet in Baden-Württemberg, Hessen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland. In den betroffenen Großstädten, die einen funktionierenden Öffentlichen Personennahverkehr als Alternative zum eigenen Auto anbieten, stiegen nur wenige Pendler vom PKW auf Bus oder Bahn um. Ursache für diese schwache Akzeptanz sind nicht nur die Vielzahl der Ausnahmen in der Gesetzesänderung vom 18. Juli 1995, sondern auch deren mehr als konsequente Ausnutzung durch die Bürger. Bußgelder von 80 DM, die im übrigen nur von baden-württembergischen Beamten kassiert wurden, schreckten nur vereinzelt ab, vermutlich weil die Polizei öffentlich ankündigte, daß man von Kontrollen "wegen endloser Debatten mit den PKW-Nutzern am Straßenrand" absehen wolle.

So machten seit dem Tag des Fahrverbots nicht nur die Organe der Polizei ihrem Unmut über die "nicht eng genug gefaßten Ausnahmeregelungen", so Hermann Lutz, Gewerkschaft der Polizei, Luft, sondern auch die Vertreter der Ministerien. Ein Appell des hessischen Umweltstaatssekretärs Rainer Baake, "sich an Verkehrsverbote zu halten und nicht von den zahlreichen Ausnahmemöglichkeiten Gebrauch zu machen", datiert vom 11. August, erreichte die Redaktionen als Mitteilung auf dem Postweg aber erst am 14. August. Da war das Verbot längst aufgehoben, ein neues nicht in Sicht. Denn hierfür müssen immerhin Grenzwerte von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, und das an verschiedenen Meßstationen, erreicht werden.

Der lang ersehnte Sommer, der in Form von Hitze, Smog und hohen Ozonwerten nun doch die Republik erreichte, läßt der Politik keine Ruhe; die Diskussion wird angeheizt durch die ausschweifende Ozon- und Fahrverbotsberichterstattung in den Medien. Schließlich können solcherlei sommerliche Auswirkungen auch bei Kranken, älteren Menschen und Kindern für Befindlichkeitsstörungen sorgen.

Problematisch ist, daß die Bundesländer das Bundesimmissionsschutzgesetz sehr unterschiedlich handhaben, nicht zuletzt eine Auslegung der jeweils regierenden Couleur. So hatte sich das nordrhein-westfälische Umweltministerium von Bärbel Höhn (Bündnis90/Die Grünen) bereits für ein Fahrverbot entschieden, war im Kompetenzgerangel jedoch dem Düsseldorfer Verkehrsministerium, geführt von Schröder-Berater Bodo Hombach, der sich für ein Abwarten aussprach, unterlegen.

Zahlreiche Politiker, aber auch Vertreter der Umweltschutzverbände degradierten die Auslegung des Gesetzes und damit das Gesetz selber zur Farce. So bezeichnete der ADAC die Ozonfahrverbote als weder praktikabel noch wirksam. Schließlich seien 80 Prozent der Kraftfahrzeuge als schadstoffarm eingestuft und dürften trotz der Verbote fahren. Nach Auffassung des Automobilclubs habe das Verbot überdies keine Auswirkung auf die Ozonkonzentration.

Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. forderte dessen Bundesgeschäftsführer Gerd Billen: "Fahrverbote und Nutzungseinschränkungen müssen auch durchgesetzt werden. Deshalb muß der Wildwuchs der bestehenden Ausnahmeregelungen radikal beschränkt werden."

Bundesumweltministerin Angela Merkel bezeichnete das Gesetz in den vergangenen Tagen indes als "die schärfste Regelung in der Welt", während die SPD-Opposition im Bundestag aus dem Immissions- ein "Placebo-Gesetz" machte. Das Merkel-Ministerium mußte allerdings auch ein "Redaktionsversehen" bei der Gesetzesformulierung und der "Landkreisregelung" eingestehen. Letztere sollte eigentlich laut mündlicher Absprache der Gesetzesgestalter nur für die kleineren Bundesländer gelten. Nach Meinung zum Beispiel von Höhn könnte die Regelung auf alle Länder übertragbar sein. Dann hätte ein Fahrverbot, ob insgesamt erfolgreich oder nicht, schneller ausgesprochen werden können.

PZ-Artikel von Thomas Bellartz, Eschborn
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