Politik
Britische Apotheker beobachten mit Sorge Vorstöße des größten
Pharmaherstellerverbandes im Königreich, Association of British
Pharmaceutical Industry (ABPI), der sich dafür einsetzt,
verschreibungspflichtige Medikamente zukünftig nur noch original verpackt
an Patienten abgeben zu lassen. Heute wird jedes dritte Arzneimittel im
Königreich nicht in einer Originalpackung abgegeben, sondern vom
Apotheker selbst abgefüllt.
Das Abfüllen von Originalpräparaten und Generika in der Apotheke gehört in
Großbritannien anders als in vielen EU-Ländern nach wie vor zum Berufsalltag.
1997 wurden laut ABPI rund 33 Prozent aller im staatlichen Gesundheitsdienst
(National Health Service, NHS) verordneten Medikamente selbst vom Apotheker
abgefüllt. Vor allem ältere, seit Jahren auf dem Markt befindliche Arzneimittel
werden häufig nicht in Originalpackungen an den Patienten abgegeben. "Ein Unding",
urteilt ABPI-Sprecher Richard Ley. Sein Verband drängt beim Londoner
Gesundheitsministerium darauf, bis zum Jahresende alle Verschreibungen nur noch in
der Originalpackung an Patienten abzugeben. Im Gegensatz zu anderen Stimmen
(etwa der Apothekerschaft) hält der Verband diese Maßnahme für
volkswirtschaftlich sinnvoll.
Laut ABPI, dem rund 90 Prozent aller Pharmahersteller im Königreich angehören,
sei das Abfüllen von Fertigarzneimitteln in der Offizin "nicht länger zeitgemäß". Der
britische Apotheker füllt die Arzneimittel meist in braune, flaschenähnliche Behälter.
Die Beschriftung und Gebrauchsanweisung wird ebenfalls vom Apotheker selbst auf
den Behälter gedruckt. Außer dem Namen des Präparats und knappen
Einnahmeanweisungen sucht der Patient in der Regel vergeblich nach detaillerten
Informationen. Hinweise auf mögliche Neben- oder Wechselwirkungen fallen laut
ABPI ebenfalls oftmals "zu dürftig" aus.
Sowohl die Royal Pharmaceutical Society (RPS) als auch die National Pharmacist
Association (NPA) widersprechen. Beide Organisationen vertreten die beruflichen
Interessen der Apotheker. "Das Abfüllen von Medikamenten gehört seit
Jahrhunderten zum Aufgabengebiet des Apothekers. Das ist gut und richtig", so eine
RPS-Sprecherin zur PZ in London auf Anfrage. ABPI hält dagegen: "Der Patient hat
auch in Großbritannien ein Recht darauf, daß sein Medikament in Originalpackungen
abgegeben wird", so Richard Ley. "Originalpackungen verbessern die Compliance
und nutzen daher dem Patienten." Außerdem bleibe Großbritannien nicht mehr viel
Zeit, um sich an die in Deutschland und in anderen EU-Ländern seit Jahrzehnten
gepflegten Abgabegewohnheiten anzupassen. Ende 1998 trete eine neue
EU-Direktive in Kraft, die die Arzneimittelabgabe in Originalpackungen zwingend
vorschreibe.
Gesundheitsminister Frank Dobson kündigte eine "Prüfung" der Vorschläge an. "Eine
verbesserte Compliance liegt im Interesse aller Beteiligten", sagte Dobson in
London.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London
© 1997 GOVI-Verlag
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