Politik
Der Vorwurf, daß Kassenärzte medizinisch unnötige Leistungen
erbringen oder veranlassen, ist nach Einschätzung der Patienten
gegenstandslos. 97 Prozent der Mitglieder in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) haben nichts derartiges beobachtet. Diese
Einschätzung wird von allen Bevölkerungsgruppen und auch weitgehend
unabhängig vom Schweregrad der Beschwerden und Krankheiten geteilt,
wie eine repräsentative Umfrage der I+G Gesundheitsforschung (München)
im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg ergeben
hat.
Das Institut befragte im Mai bundesweit 2000 GKV-Versicherte, die in den
vergangenen drei Monaten einen Arzt aufgesucht hatten. Am häufigsten wurden
Allgemeinärzte (63 Prozent) und Internisten (14 Prozent) besucht. Nur jeweils ein
Prozent der Patienten hatte den Eindruck, daß ihr Arzt "sicher" oder "vielleicht"
"überflüssige oder nicht notwendige Leistungen" erbracht oder veranlaßt hat.
Ebenfalls ein Prozent der Patienten konnte die Frage nicht beantworten.
Damit bestätigten insgesamt nur 49 der 2000 Befragten den Verdacht der unnötigen
Leistungsausweitung. Jeweils elf dieser Patienten gaben zu Protokoll, die
Verordnung von Medikamenten oder gerätegestützte Untersuchungen seien nicht
erforderlich gewesen. Jeweils sechsmal wurden Röntgenuntersuchungen und
physiotherapeutische Verordnungen als überflüssig eingestuft
Zur Begründung ihrer Einschätzung sagten zehn Patienten, sie hätten zu viele oder
doppelte Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen. Sieben meinten, die
Medikamente hätten "nicht geholfen" beziehungsweise sie hätten "zu viele" oder
"falsche" Präparate bekommen. Andere plädierten für pflanzliche Medikamente.
Vier Fünftel der GKV-Versicherten (79 Prozent) gaben in der Befragung an, ihr
Arzt habe in den letzten drei Monaten sein Leistungsverhalten in keiner Weise
verändert. Ein Prozent konnten dies nicht beurteilen. Vier Prozent der Patienten
berichteten, der Arzt habe seine Leistungen ausgeweitet. Sechs Prozent registrierten
verringerte Leistungen, wobei weniger Arzneiverordnungen (48 Nennungen) und
weniger Physiotherapie (20 Nennungen) dominierten.
Ein gewisser Druck kleinerer Patientengruppen auf die Ärzte in Richtung einer
Leistungsausweitung scheine zu bestehen, meint die I+G Gesundheitsforschung.
Nach den Umfrageergebnissen handele es sich dabei primär um jüngere, besser
gebildete, einkommensstärkere und geringfügig erkrankte Patienten.
Andererseits haben nur neun Prozent aller Versicherten schon einmal daran gedacht,
den Arzt wegen vorenthaltener Leistungen zu wechseln, und nur zwei Prozent haben
diese Gedanken in den letzten zwölf Monaten in die Tat umgesetzt. Insgesamt sorge
also die aus Sicht der Patienten insgesamt konstante Leistungserbringung für eine
sehr hohe Zufriedenheit der GKV-Versicherten mit der ambulanten ärztlichen
Versorgung, lautet das Fazit der I+G Gesundheitsforschung.
PZ-Artikel von Karl H. Brückner, Bonn
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