Politik
Die
Auseinandersetzung um eine bundesweite Rahmenempfehlung
für die künftigen Arznei- und Heilmittel-Richtgrößen
geht weiter. Nachdem der Bundesverband der
Pharmazeutischen Industrie (BPI) bereits am ersten
Entwurf für die Empfehlung deutliche Kritik geübt
hatte, 1äßt der BPI nun auch an der von der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung und
Krankenkassen-Spitzenverbänden überarbeiteten Fassung
kaum ein gutes Haar: "Unpraktikabel sowie arzt- und
patientenfeindlich" sei die Empfehlung, auf die sich
Spitzenvertreter der Vertragsärzte und der Krankenkassen
verständigt haben.
BPI-Geschäftsführer Peter Dewein sind einige Details
der Richtgrößen-Empfehlung ein besonders großer Dorn
im Auge: Ärzte und Kassen empfehlen den Vertragspartnern
auf Landesebene, anstelle von rein ausgabenbezogenen
Richtgrößen langfristig indikationsorientierte
Richtgrößen einzuführen. Für den BPI ein klarer
Verstoß gegen das 2. GKV-Neuordnungsgesetz der Bonner
Regierungskoalition, das einen Indikationsbezug
ausdrücklich ausschließt.
Außerdem haben sich Kassen und Ärzte weitgehend auf
eine Liste von lebenswichtigen Arzneimitteln
verständigt, die von Beschränkungen durch Richtgrößen
ausgenommen werden sollen. Kommentar des BPI: Die Liste
sei unnötig und unvollständig. Sie diskriminiere
Arzneimittel, die für mehrere Indikationen zugelassen
seien, etwa Interferone.
Zumindest über die Liste der von Richtgrößen von
vornherein auszunehmenden Arzneimittel und Wirkstoffe
wollen Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die
Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) aber noch einmal miteinander reden. Eine
Arbeitsgruppe soll hierzu ebenso detaillierte Vorschläge
unterbreiten wie zu den bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen
von niedergelassenen Ärzten zu berücksichtigenden
Praxisbesonderheiten. Schließlich können Mediziner, die
überdurchschnittlich viele MS-Kranke oder Aids-Patienten
betreuen, bei Kontrollen nicht mit der gleichen Elle
gemessen werden wie andere Ärzte.
Ob es allerdings tatsächlich zu einer gemeinsamen
Bundesempfehlung kommt, erscheint derzeit als mehr als
fraglich. Denn Experten hegen Zweifel, ob die Inhalte der
Empfehlung von den einzelnen Krankenkassen und dem
Länderausschuß der KBV auch tatsächlich akzeptiert
werden.
Vor allem für die Ost-Kassen enthält die überarbeitete
Fassung der ursprünglich vorgesehenen Bundesempfehlung
verhandlungstechnische Fußangeln, die sie vermutlich
kaum hinnehmen können. So haben sich KBV und
GKV-Spitzenverbände darauf verständigt, daß Budgets
nur noch für 1997 vereinbart werden. Ab 1998 sind
arztgruppenspezifische Richtgrößen festzulegen, welche
die bisherigen Budgets ablösen. Von budgetbegleitenden
Richtgrößen oder Ausgabenobergrenzen, wie in der
ursprünglichen Fassung der Empfehlung, ist nun keine
Rede mehr.
In Mecklenburg-Vorpommern aber streben die Krankenkassen
Verträge an, die auch noch für 1998 ein Budget für
Arznei-, Verband- und Heilmittel vorsehen. Anders sind
die Auseinandersetzungen um die überzogenen Budgets der
vergangenen Jahre offenkundig nicht mehr beizulegen.
Vertreter der Krankenkassen halten es zudem für
möglich, daß der KBV-Länderausschuß der
Bundesempfehlung seine Zustimmung verweigert und
Nachverhandlungen fordert. Die entscheidende Sitzung des
Länderausschusses, dem die Vorsitzenden der
Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) angehören, findet
aber erst am 8. August statt. Sollte das Votum der
KV-Chefs negativ ausfallen, würden sich erneute
Gespräche über eventuelle Korrekturen an der
Bundesempfehlung bis in den Herbst hinein ziehen.
Dann aber ist es für eine gemeinsame Bundesempfehlung
vermutlich zu spät, weil zu diesem Zeitpunkt bereits
zahlreiche KVen und Krankenkassen über Richtgrößen
verhandeln dürften. Damit wäre das "regionale
Klein-Klein" (ein Insider) bei veranlaßten
ärztlichen Leistungen perfekt. Sollte der
KBV-Länderausschuß die Empfehlung ablehnen, werden sich
die GKV-Spitzenverbände aller Voraussicht nach eilends
auf eine stringentere Fassung der ursprünglichen
Bundesempfehlung verständigen und sie ihren Mitgliedern
als Verhandlungsbasis an die Hand geben.
PZ-Artikel von Hans-Bernhard Henkel, Bonn
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