Politik
Die meisten Apotheker
sind Frauen. Dennoch bestimmen zum größten Teil Männer
die Standespolitik. Die PZ sprach mit Magdalene Linz,
Vorsitzende des Bundesverbandes der Angestellten in
Apotheken (BVA), über die Rolle der Frau in der Apotheke
und den inneren Konflikt des Berufsstandes zwischen
Heilberuf und Kaufmannstätigkeit
PZ: 90 Prozent der Mitglieder des BVA sind
Frauen. Welche Rolle spielt die Frau daher in Ihrer
Arbeit?
Linz: Wir bemühen uns, den Frauen mehr
Selbstbewußtsein zu vermitteln. Wir wollen das
Auseinanderklaffen zwischen Männer- und Frauengehältern
beseitigen. Die wirtschaftliche Situation der Apotheken
im Moment macht es uns natürlich schwer, grundlegende
Änderungen herbeizuführen. Außerdem bemühen wir uns,
bessere Arbeitsbedingungen für Frauen zu schaffen. Es
ist doch sehr bezeichnend, daß gestandene Frauen,
speziell im PKA- oder auch im PTA-Bereich, von den Chefs
häufig noch als "Mädels" oder
"Mädchen" bezeichnet werden. Wir meinen, daß
auch eine PKA mit 18 Jahren ein Anrecht darauf hat, als
Frau angesprochen und behandelt zu werden.
PZ: Warum glauben Sie, daß trotz dieser
Verhältnisse so viele Frauen in der Apotheke arbeiten?
Mehr als 60 Prozent der Approbierten in öffentlichen
Apotheken und drei Viertel der neu Approbierten sind
Frauen. Gibt es besondere Anreize für Frauen, oder sind
Frauen vielleicht besonders geeignet? Oder sind sie die
besseren Apotheker?
Linz: Ob sie grundsätzlich die besseren
Apotheker sind, weiß ich nicht. Ich glaube schon, daß
Frauen im sozialen Bereich Vorteile haben, das heißt im
Eingehen auf andere Menschen, im Zuhörenkönnen und im
Mitfühlenkönnen, wenn Kunden Probleme haben. Ich glaube
auch, daß der Beruf bei vielen Frauen unter der
Möglichkeit gesehen wird, ihn als Teilzeitbeschäftigung
ausüben zu können. Außerdem ist das Gesundheitswesen
ein Bereich, der für viele Menschen einen sehr hohen
Stellenwert hat. Die Arbeit in der Apotheke ist daher
eine Arbeit, die gesellschaftlich anerkannt und positiv
bewertet wird.
PZ: Warum, glauben Sie, sind die Frauen
bei den Apothekenleitern und in den Apothekergremien so
stark unterrepräsentiert, obwohl sie doch die Mehrheit
der Apothekerschaft bilden?
Linz: Wenn man heute als Apothekenleiter
arbeitet, heißt das ja nicht nur im Handverkauf stehen,
sondern beinhaltet auch den Umgang mit wirtschaftlichen
Daten. Ich glaube, daß dieser Full-time-Job, der häufig
weit über die 38-Stunden-Woche hinausgeht, für viele
Frauen, gerade wenn sie Familie haben, einfach nicht
leistbar ist. Es ist trotz allem so, daß die Zahl der
Apothekenleiterinnen prozentual zunimmt. Sie wird
sicherlich auch weiterhin zunehmen, weil immer mehr
Frauen Pharmazie studieren.Was die Standespolitik
betrifft: Es ist absolut nicht so, daß Frauen dafür
weniger geeignet wären. Es ist einfach im Moment noch
das Los der Frauen in dieser Gesellschaft, daß sie in
erster Linie für die Betreuung der Kinder zuständig
sind. Und wenn man das als Frau und Mutter ernst nimmt,
ist das eben ein nicht unwesentlicher zeitlicher Faktor.
Ich selbst merke auch, wie schwierig das ist, all diese
verschiedenen Funktionen mit einem Familienleben, so wie
ich mir das vorstelle, zu vereinbaren.
PZ: Wie arbeiten Sie darauf hin, daß
sich gerade für Frauen diese Verhältnisse verbessern?
Linz: Es wäre gut, wenn auch auf
Standesebene auf die Probleme, die Frauen haben, gerade
wenn sie Familie haben, mehr Rücksicht genommen würde.
Ich bin der Meinung, man sollte sich einmal grundlegend
Gedanken darüber machen, wie die Situation der Frauen
ist, wodurch man es ihnen erleichtern könnte, sich zu
engagieren. Man sollte sich zum Beispiel überlegen, ob
man die Sitzungshäufigkeit reduzieren könnte, ob man
mehr moderne Medien benutzen könnte, die es der Frau
ermöglichen, von zu Hause aus zu kommunizieren. Ich sehe
auch nicht ein, warum unbedingt an drei Tagen
hintereinander Sitzungen stattfinden müssen. Man könnte
das entzerren.
PZ: Was tun Sie für die angestellte
Apothekerin vor Ort, was die Arbeitsbedingungen in der
Apotheke betrifft? Für welche Veränderungen setzen Sie
sich ein, die die Doppelbelastung betreffen?
Linz: Wichtig ist, gerade vor dem
Hintergrund der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, daß
es den Frauen möglich bleiben muß, so zu arbeiten, daß
es nicht nur in den Apothekenrhythmus paßt, sondern daß
es auch mit der Familie und einem sinnvollen Tagesablauf
vereinbar ist. Wenn ich zum Beispiel höre, daß manchmal
verlangt wird, daß bei einer halben Stunde Anfahrtsweg
vormittags zwei Stunden und nachmittags zwei Stunden
gearbeitet werden soll, muß ich sagen, das ist
ausgesprochen familienfeindlich. Man könnte zum Beispiel
an Monats- oder Jahresarbeitszeiten denken, die je nach
Bedarf der Apotheke oder der Mitarbeiterin verteilt
werden können. Auch Frauen müssen da umdenken. Es kann
nicht nur so sein, daß sie permanent vormittags
arbeiten, auch nachmittags haben Apotheken geöffnet.
Wichtig wäre es auch, daß der Staat die Möglichkeiten
schafft, daß Kindergärten oder Hortplätze nachmittags
oder bis in den frühen Abend hinein angeboten werden, um
Frauen eine Berufstätigkeit zu ermöglichen.
PZ: Sie haben im Rahmen der Interpharm
im Juni dieses Jahres gefordert, daß man die Fortbildung
in den Tarifvertrag aufnehmen soll. Läßt sich das mit
der Entlastung von Frauen vereinbaren? Wenn Frauen
pflichtmäßig Fortbildungen besuchen müssen, werden sie
doch stärker belastet.
Linz: Das hängt ganz entscheidend davon
ab, ob zum Beispiel parallel zur Fortbildung eine
Kinderbetreuung angeboten wird. Das würde ich für eine
Entlastung halten. Ich halte Fortbildung für zwingend
erforderlich, da die Apotheker bei ihrer Tätigkeit zu
Recht Qualität in den Vordergrund stellen und wir als
Berufsstand auf Dauer nur noch eine Überlebenschance
haben, wenn wir durch Qualität unserer Leistungen
überzeugen. Dazu braucht man gut aus- und fortgebildete
Mitarbeiter. Diese Fortbildung kann sich auch nicht darin
erschöpfen, daß man das einmal alle fünf Jahre macht,
sondern ich halte es für wichtig, daß man sich auf den
verschiedensten Gebieten auf dem laufenden hält. Das
sollte unbedingt von den Apothekenleitern unterstützt
werden, weil die guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
ihr Kapital sind.
Ich halte es für sinnvoll, das in den Tarifvertrag zu
schreiben, denn bisher hat eine Mitarbeiterin, die sehr
viel Fortbildungen besucht, dadurch keinerlei tariflichen
Vorteil gegenüber jemandem, der seit 10 Jahren keine
Forbildung mehr besucht hat. Das paßt nicht mehr in die
heutige Zeit und wird auch den Anforderungen der Apotheke
für die Zukunft nicht mehr gerecht.
PZ-Artikel von Monika Noll, Hannover
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