Politik
Mit 12 von 15 Stimmen
hat die Generalversammlung des Zusammenschlusses der
Apotheker der Europäischen Union (ZAEU) von drei
Bewerbern Dr. Lisette Tiddens-Engwirda am 2. Juni in
Bordeaux zu ihrer neuen Generalsekretärin gewählt. Sie
wird ihr Amt am 1. Januar 1998 mit Sitz in Brüssel
antreten. Als weiteres Beobachtungsland hat die ZAEU, der
15 Mitgliedstaaten angehören, die Slowakei begrüßt.
Der amtierende Generalsekretär Paul Baetens hat
das Amt, seit 1989 inne und stellte sich nicht wieder zur
Wahl. Er wird bis Mitte 1998 im Amt sein, um einen
kontinuierlichen Übergang der Amtsgeschäfte
sicherzustellen. Mit Lisette Tiddens-Engwirda, die unter
anderem bisher als politische Beraterin des
holländischen Apothekerverbands gearbeitet hat,
übernimmt erstmals eine Nicht-Apothekerin diese Aufgabe.
Sie tritt dafür ein, daß der Apotheker als
qualifizierter Beruf auch im nächsten Millenium seinen
Platz im System der gesundheitlichen Versorgung hat und
respektiert wird. Dies könne dem Berufsstand mit
pharmazeutischer Kompetenz allein nicht gelingen, sagte
die professionelle Lobbyistin im Gespräch mit der PZ.
Europaweit steuere der Apothekerberuf in eine
Schlechtwetterlage. Mit Professionalität, Engagement,
Koordination und Kommunikation könne ein Schiffbruch
verhindert werden, so die Überzeugung der designierten
Generalsekretärin. Wie aus den Reihen einzelner
Delegationen zu hören war, verbindet man mit der neuen
Generalsekretärin die Hoffnung, daß die Rolle des
Apothekers als pharmazeutischem Fachmann mit
ökonomischer Verantwortung den gesellschaftlichen
Veränderungen entsprechend mehr in das öffentliche
Bewußtsein getragen wird. Auch das Groupement müsse
sich in eine Zukunftsperspektive im Übergang zum Jahr
2000 einordnen.
Selbstmedikation
Die Generalversammlung der ZAEU hat über eine
erste gemeinsame Stellungnahme von Apothekern, Ärzten
und der Industrie zum Thema Selbstmedikation diskutiert.
Das Exekutivkomitee erhielt den Auftrag, mit den
beteiligten Verbänden über erneute
Änderungsvorschläge, mit denen der Apotheker weiter in
den Vordergrund gestellt werden soll, im Gespräch zu
bleiben. Einig war man sich in der Einschätzung, daß
der Gebrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel
als bedeutender Teil der Gesundheitsversorgung angesehen
werden muß. Dies entspreche dem Wunsch jedes einzelnen,
wieder mehr Verantwortung zu übernehmen. Bei richtiger
Anwendung könne Selbstmedikation auch Kosten im
nationalen Gesundheitssystem einsparen. Der Patient
könne aber auf die Beratung und pharmazeutische
Begleitung durch den Apotheker nicht verzichten.
Unstrittig ist, daß der Hausarzt hinzugezogen werden
muß, wenn zum Beispiel die Symptome unverändert
bestehen bleiben, wenn sich der Zustand des Patienten
verschlechtert, wenn Schmerzen auftreten oder wenn der
Patient ein oder mehrere Medikamente ohne Erfolg
angewendet hat.
Philippe Brunet, Mitarbeiter der zuständigen
Generaldirektion, wies in einer Stellungnahme darauf hin,
daß beim Internet derzeit keine Regelungen ergriffen
werden können. Dinge, die sich in Entwicklung befinden,
könnten erst reglementiert werden, wenn sie sich
stabilisiert hätten und Fehler offenbar werden. Er
zeigte sich grundsätzlich bereit, mit dem ZAEU in der
Frage des Versandhandelsverbots zusammenzuarbeiten.
Symposium zur Biotechnologie
Der diesjährigen Generalversammlung folgte ein
wissenschaftliches Fortbildungssymposium zur
Biotechnologie sowie Forschung, Entwicklung und Ökonomie
innovativer Arzneimittel, weil es nach Aussagen von
ZAEU-Präsident Gérard Lupus wichtig ist zu wissen,
welche Entwicklung die Wissenschaft genommen hat. Zur
Gesetzgebung der biotechnologischen Erzeugnisse gab Dr.
Philippe Brunet einen Überblick. Rechtliche und ethische
Probleme beleuchtete Professor Dr. Marie-Danielle Campion
von der Universität Lille 2.
Professor Dr. Kamal Sabra, Universität von Dublin,
berichtete über ein Experiment des irischen
Apothekerverbandes über die Abgabe von gentechnischen
Produkten. In den meisten europäischen Ländern werden
nach seiner Darstellung diese Produkte über die
Krankenhäuser abgegeben. Aus verschiedenen Gründen
werden die Patienten aber immer früher entlassen, so
daß sich dann eine Versorgungslücke auftun könnte. Ein
Krankenhausaufenthalt dauert, so Sabra, durchschnittlich
noch sieben bis acht Tage. Hinzu kommt, daß die
Bettenzahl gesunken ist. Da viele Personen nach einem
Eingriff ambulant noch weiterbehandelt werden, werden sie
in dem irischen Modellversuch in ihrer speziellen
Therapie von einem Apotheker begleitet, was vor allem bei
den Patienten auf positive Resonanz stößt. In einer
Zeit, in der die Apotheker bereit sind, mehr
Verantwortung zu übernehmen, wäre es unverantwortlich,
Apotheken schließen zu müssen. "Gerade im Bereich
der gentechnischen Arzneimittel gibt es immer mehr
Patienten, die zu Hause behandelt werden, und hier
braucht man den Apotheker", so Sabra.
PZ-Artikel von Gisela Stieve, Bordeaux
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