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Wir wollen den Apothekern nicht ans Geld

14.05.2001  00:00 Uhr

DAV-WIRTSCHAFTSFORUM

Wir wollen den Apothekern nicht ans Geld

von Daniel Rücker

Die Kassenärzte entfernen sich ein wenig von ihrem Konfrontationskurs gegen die Apotheker. Festredner Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigte sich zum Dialog mit den Apothekern bereit. Ganz ausgeräumt ist der Dissens freilich nicht.

Mit ihren Vorschlägen für eine Senkung der Distributionskosten hatten die Ärzte im Februar den Unmut der Apotheker hervorgerufen. Richter-Reichhelm will jetzt die Wogen wieder ein wenig glätten: "Wir wollen nicht den Apothekern ans Geld." Den Ärzten gehe es vielmehr um eine Änderung der Preisspannen. Die derzeitige Mischkalkulation zwischen hochpreisigen GKV-finanzierten Arzneimitteln und unrentablen Selbstmedikationsprodukten sollte zugunsten einer anderen Struktur geändert werden. Konkrete Vorschläge machte der KBV-Chef allerdings nicht.

Meinungsverschiedenheiten gibt es vor allem bei der Abgabe von Altarzneimitteln durch Ärzte. Richter-Reichhelm will dies auch aus ökonomischen Erwägungen unter bestimmten Umständen zulassen. "Bei dem Kostendruck, der in der ambulanten Versorgung herrscht, ist es nicht nachvollziehbar, dass völlig intakte, hochwertige und hochpreisige Arzneimittel einfach vernichtet werden." Eine Weitergabe von nicht angebrochenen, unversehrten Arzneimitteln an Patienten durch den Arzt sei ein kostensparende Lösung. Dafür wollen die Ärzte gemeinsam mit den Apothekern klare Kriterien erarbeiten. Den Gesetzgeber forderte der KBV-Chef auf, für Öffnungsklauseln gesetzliche Grundlagen zu schaffen.

Dagegen scheint die Internet-Euphorie bei den Kassenärzte langsam zu verschwinden. Zwar glaubt Richter-Reichhelm nach wie vor an ein absehbares Ende des Versandhandelsverbotes in Deutschland. Auf der anderen Seite zeigte er sich aber erschrocken über die Aggressivität, mit der DocMorris bei Ärzten auftritt. Sie sollen ihre Patienten dazu bewegen, Arzneimittel über die niederländische Internet-Apotheke zu beziehen. Der KBV-Chef sieht hier die freie Apothekenwahl in Gefahr.

Unterstützung bei Negativliste

Bei der Beachtung der Negativliste erwarten die Kassenärzte eine stärkere Unterstützung der Apotheker. Unstrittig sei zwar, dass Ärzte die Präparate auf der Negativliste nicht verordnen dürfen, zur Unterstützung sollten die Apotheker aber vom Patienten die Bezahlung einfordern, wenn ein Arzt aus Unwissenheit ein nicht erstattungsfähiges Produkt verschrieben hat. Die von den Apothekern immer wieder geforderte Präparateliste, auf der die Namen der nicht verordnungsfähigen Produkte zusammengestellt sind, kündigte Richter-Reichhelm für den Herbst an.

Konsens zwischen Ärzten und Apothekern gibt es bei der Forderung nach einer Senkung der Mehrwertsteuer. Deutschland sei eines der wenigen europäischen Länder, die den vollen Mehrwertsteuersatz auf Humanarzneimittel erheben. Richter-Reichhelm: "Es ist schwer verständlich, weshalb auf Tierarzneimitteln nur 7 Prozent auf Humanarzneimittel aber 16 Prozent Mehrwertsteuer fällig sind."

Ebenfalls auf einer Linie liegen die beiden Heilberufsgruppen bei der Härtefall-Regelung. Wie zuvor schon die Repräsentanten der Apothekerschaft forderte auch der KBV-Chef die Politik dazu auf, die Zuzahlung "auf ein Vernünftiges Maß" zurückzufahren. Nach Erkenntnissen der KBV sei mittlerweile jeder zweite Patient von der Zuzahlung befreit. Dies auch deshalb, weil Krankenkassen die Befreiung als Marketinginstrument nutzten und sie nicht berechtigten Versicherten anbieten.

Aut-idem-Regelung als Alternative

Als Alternative für die juristisch umstrittene Festbetragsregelung unterbreitete der KBV-Chef einen Vorschlag, der allerdings "innerärztlich nicht abgestimmt ist". Nach Richter-Reichhelms Ansicht sollten die Festbeträge von einem Festzuschuss in der Höhe des unteren Preisdrittels abgelöst werden. Der Versicherte könnte dann das Präparat seiner Wahl beziehen. Müsste aber die über den Festzuschuss hinausgehenden Kosten selbst bezahlen. Faktisch läuft dieser Vorschlag auf eine Aut-idem-Regelung hinaus. "Der Arzt könnte bei seiner Verordnung den Wirkstoffnamen benutzen und der Apotheker, gegebenenfalls mit Zuzahlung, das vom Patienten gewünschte Präparat abgeben."

Als "gangbaren Kompromiss" bezeichnete der Ärzte-Chef die Abschaffung des Arzneimittelbudgets. Das Ende des Kollektivregress sei überfällig gewesen. Der jetzt vorliegende Referentenentwurf, der Orientierungsgrößen als Steuerungsinstrument vorsieht, könnte den Ärzten die Angst vor Budgetüberschreitungen nehmen. Die jetzt gefundene Regelung werde von den Ärzten unterstützt, "wenn die Selbstverwaltung die Möglichkeit bekommt, rationale Grenzen festzusetzen".

Für das Gesundheitswesen allgemein fordern die Kassenärzte eine stärkere Orientierung am tatsächlichen Bedarf der Menschen. Allein mit Einsparungen sei dem Kostendruck nicht zu begegnen. Zwar gebe es noch einige Rationalisierungsreserven, doch seien die zu gering, um den Mehrbedarf der kommenden Jahre zu finanzieren.

Problem ist die mangelhafte Datenlage: Heute kann niemand den tatsächlichen Bedarf exakt quantifizieren. Vorhersagen für die Zukunft sind deshalb erst recht nicht möglich. Die KBV will deshalb jetzt einen Morbiditätsindex (MIX) erstellen, der die Bedarfsberechnung auf eine valide Datenbasis stellen soll. Der MIX soll das Morbiditätsrisiko definierter Patientengruppen auf der Basis der gegenwärtig üblichen Behandlungs- und Inanspruchnahmemuster. Im zweiten Schritt soll dann der daraus abzuleitende Finanzierungsbedarf ermittelt werden, wobei falsche Anreiz- und Versorgungsstrukturen erkannt und beseitigt werden sollen.

Die Krankenkassen fördern das Projekt kaum. Richter-Reichhelm hält dies für einen Fehler. Denn ohne die Daten der Krankenkassen fehlt den Ärzten eine aussagekräftige Grundlage. Der KBV-Chef hofft jetzt darauf, dass die Entscheidung für einen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, die Kassen zum Umdenken bewegt.

 

Kommentar Moderate Töne

Er hat den Apothekern keinen Honig um den Bart geschmiert, doch im Vergleich zum KBV-Papier schlug KBV-Chef Dr. Manfred Richter-Reichhelm moderate Töne an. Statt von generell zu hohen Apothekenspannen wie im Februar sprach der Ärztevertreter von einer "Überprüfung der Distributionskosten". Und die natürlich in Zusammenarbeit mit den Apothekern. Das hört sich schon anders an und ist hoffentlich auch so gemeint.

Abgesehen von seiner Position bei der Abgabe von Second-hand-Arzneimitteln durch den Arzt, waren die Aussagen von Richter-Reichhelm nicht allzu weit von den Positionen der Apotheker entfernt. Wohl auch ein Resultat der Gespräche, die die ABDA mit dem Ärzte-Vertreter geführt hat.

Wenn die Ärzte erkennen, dass ihnen bei der Durchsetzung ihrer eigenen Ziele die Zusammenarbeit mit den Apothekern mehr nützt als die Konfrontation, dann wäre dies ein schönes Resultat. Solange Richter-Reichhelm seine Position aber noch als persönliche, nicht abgestimmte Meinung bezeichnet, ist Vorsicht geboten.

Daniel Rücker

 

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