Politik
Nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden des Verbandes der
Angestellten-Krankenkassen (VdAK), Herbert Rebscher, ist es um das
deutsche Gesundheitswesen gar nicht so schlecht bestellt. Jedes andere
privatwirtschaftliche System wäre unter diesen Bedingungen längst in die
Knie gegangen. Auf einem Kongreß der Quintessenz-Verlagsgruppe am 24.
und 25. April 1998 in Düsseldorf rief er das Auditorium auf, nicht unkritisch
wahltaktischen Analysen der Politik zu glauben.
Die 35 neu erlassenen Gesetze in der letzten Legislaturperiode seien kein Beweis für
Konzeptlosigkeit, sondern die ständige Weiterentwicklung eines hochsensiblen
Systems. "Wer an eine elegante Gesetzgebung glaubt, die für 10 Jahre Ruhe schafft,
irrt", behauptete Rebscher.
Die Republik bedürfe dennoch endlich einer gesamtstaatlichen Bewertung. Das
Finanzloch könne nicht nur durch weitere Kürzungen auf der Ausgabenseite gestopft
werden. Rebscher forderte sein Auditorium auf, endlich eine Debatte um mehr
Verteilungsgerechtigkeit zu erzwingen. Bisherige Neuordnungsgesetze hätten die
Kosten nur auf den Patienten abgewälzt und seien damit ein intellektuell
bescheidener Ansatz.
Der VdAK-Vorsitzende bezeichnete Modellversuche und Strukturverträge als
Schritt in die richtige Richtung. Monopole müßten jedoch aufgebrochen werden.
Nur mehr Wettbewerb und experimenteller Freiraum ermögliche den Partner im
Gesundheitswesen neue Konzepte zu testen. "Das System bleibt nur solidarisch,
wenn es effizient sein darf."
Auch Dr. Dieter Thomae, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Deutschen
Bundestag, bekräftigte, daß die Koalition Strukturverträge nutzen wolle, um mit aller
Macht Kosten vom stationären in den ambulanten Bereich zu verschieben. Zwar
seien seit der Wiedervereinigung 55.000 Betten abgebaut worden, die ambulante
Versorgung hätte von diesen Rationalisierungen aber nicht profitiert.
"Arbeitslosigkeit hat doch nichts mit schlechter Gesundheitspolitik zu tun", stellte
Professor Dr. Wilhelm van Eimeren klar. Der stellvertretende Vorsitzende des
Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen widersprach
vehement der Aussage, daß bisher erlassene Gesetzte keine Einsparungen gebracht
hätten. "Dann hätten wir Beitragssätze von 20 Prozent." Eine Neuorientierung bei
der Beitragsbemessung biete Chancen, einer Rationierung zu entgehen. Damit ließen
sich sogar die Leistungsfähigkeit verbessern und Arbeitsplätze sichern.
Alle möglichen Einsparungen im Arzneimittelbereich sind nach Meinung Dr. Manfred
Zipperes, Ministerialdirektor im BMG, nahezu ausgeschöpft. Das Arzneimittel hätte
im Mittelpunkt aller bisherigen Interventionen gestanden, auch weil dieser Bereich so
transparent wie kein anderer sei. Wäre das bei den Kosten für stationäre
Behandlung auch der Fall, hätte es dort schon längst grundlegende Veränderungen
gegeben.
Modellprojekte ausgezeichnet
Um einen weiteren Anstoß zur Weiterentwicklung im Gesundheitswesen zu geben,
zeichnete der Quintessenz-Verlag am 25. April in Düsseldorf erstmalig drei
Modellprojekte mit dem Deutschen Gesundheitspreis aus. Der mit 25.000 DM
dotierte erste Preis ging an das Hausarzt-Modellprojekt Medizinische
Qualitätsgemeinschaft Rendsburg. Weitere Auszeichnungen vergab die fünfköpfige
Jury unter Vorsitz von Professor Dr. Fritz Beske, Kiel, an das Modell Altenberge,
Belegkrankenhäuser im Qualitätsverbund, und das Projekt Gesundheitszentren in
Brandenburg.
Alle prämierten Gesundheitssysteme zeigen beispielhafte strukturelle Innovationen,
die sowohl die Qualität der Gesundheitsversorgung fördern, als auch die
Wirtschaftlichkeit verbessern, hob Beske in seiner Laudatio hervor. Leider sei
keines der 36 eingereichten Projekte bisher evaluiert.
Artikel von Ulrich Brunner, Düsseldorf
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