Politik
Das Erkennen und Lösen arzneimittelbedingter Probleme bildet den
Schwerpunkt der Pharmazeutischen Betreuung. Patienten müssen bei der
Arzneimittelanwendung systematisch begleitet werden, damit rasch ein
Heilungserfolg oder die Linderung von Beschwerden eintreten und die
Lebensqualität verbessert wird. Im individuellen Betreuungsprozeß
auftretende Probleme verlangen dabei nach einer Systematisierung, die die
Identifikation der Probleme erleichtert und eine computergestützte
Dokumentation ermöglicht.
Arzneimittelbezogene Probleme resultieren aus unzweckmäßigen
Anwendungsempfehlungen.Sie sind entweder stoffgebunden (beispielsweise ein
nichtberücksichtigtes Allergiesierungspotential) oder patientenbedingt (unzureichend
verstandene Anwendungshinweise). Unerkannt gefährden sie unter Umständen den
Patienten oder mindern den Effekt der Pharmakotherapie. Außerdem verursachen
sie zusätzliche Kosten.
Aus diesem Grund ist es wichtig, Apotheker und Ärzte stärker für
arzneimittelbezogene Probleme zu sensibilisieren und Hilfsmittel schon während des
Verordnungs- oder Abgabevorgangs bereitzustellen. Ein erster Schritt dazu ist eine
Klassifizierung von möglichen Problemen. Sie erleichtert die Identifizierung und
ermöglicht eine Dokumentation.
Klassifizierung und Kodierung der Probleme
Eine Klassifizierung von arzneimittelbezogenen Problemen kann entweder aufgrund
pharmakologischer Kenntnisse und Überlegungen oder auf der Basis empirischer
Studien vorgenommen werden. Sofern sie nicht durch empirische Erhebungen
gestützt wurden, können sich bei ihrem Einsatz Probleme hinsichtlich der
Praktikabilität ergeben. Deshalb sollten zunächst Prämissen formuliert werden, die
der Entwicklung eines eigenen Klassifizierungssystems zugrunde gelegt werden
müssen:
o Das Klassifizierungssystem sollte für wissenschaftliche Studien einen ausreichenden
Differenzierungsgrad aufweisen und zweckmäßig strukturiert sein.
o Es muß rechnergängig sein und aus zwei Klassifizierungsebenen bestehen: der
Hauptgruppenebene, die nach Vereinbarung möglichst unverändert beibehalten wird,
und einer darunterliegenden Problemebene, die bei Bedarf eine Ergänzung
ermöglicht.
o Die Bezeichnung der Hauptgruppen und die Zuordnung von einzelnen
Problemgruppen sollte so erfolgen, daß ein auftretendes Problem möglichst eindeutig
klassifiziert werden kann.
Diese Vorgaben beinhalten, daß neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch
empirische Ergebnisse in das Klassifizierungsverfahren eingehen sollten, um sowohl
die Praktikabilität als auch die Akzeptanz entsprechender Vorschläge in der Praxis
zu erhöhen. Aus diesem Grunde wurde bereits 1995 eine Studie zur Erfassung
arzneimittelbezogener Probleme in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt, die
über ein Spontanmeldesystem Hinweise zu den hauptsächlich auftretenden
arzneimittelbezoqenen Problemen geben konnte.
Ein derartiges Spontanmeldesystem mit seinerzeit 632 ausgewerteten Meldungen
ermöglicht keine Aussagen über die Häufigkeit der erfaßten in bezug zu den
tatsächlichen aufgetretenen Problemen. Es läßt aber erkennen, wo gegenwärtig die
Schwerpunkte der Phannazeutischen Betreuung liegen. Daraus ergibt sich wiederum,
daß aus der Struktur der identifizierten Probleme im zeitlichen Vergleich auf
Veränderungen in der Betreuung zurückgeschlossen werden kann, wenn jeweils ein
vergleichbares Klassifizierungssystem zugrundegelegt wurde. Außerdem kann durch
die wirkstoffbezogene Auswertung der Daten festgestellt werden, welche Probleme
bei welchen Arzneimitteln mit besonderer Häufigkeit auftreten. Damit werden zum
einen Apotheker gezielt für bestimmte Probleme sensibilisiert, zum anderen kann
Herstellern ein Feedback zu einer möglichen Optimierung ihrer Produkte gegeben
werden.
Aufruf zur Mitarbeit
Statistische Angaben gewinnen durch die Einbeziehung möglichst vieler Daten an
Aussagekraft. Deshalb möchten wir möglichst viele Apotheker in die Erfassung und
Spontanmeldung von arzneimittelbezogenen Problemen einbeziehen, um folgende
Ziele zu erreichen:
o Die Erfassung und Aufbereitung von empirischem Material, das einen möglichst
guten Aufschluß über Art und Umfang der gegenwärtig besonders häufig
auftretenden Probleme gibt.
o Durch Daten belegte und damit überzeugende Darstellung der Leistungen, die
schon heute in den Apotheken im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung erbracht
werden.
o Validierung der vorgeschlagenen Klassifizierung hinsichtlich ihrer Praktikabilität
Das hier vorgeschlagene Klassifizierungssystem soll als Anregung zur Erkennung
konkreter Probleme dienen, indem es auf die bislang bekannten Probleme
aufmerksam macht. Gleichzeitig soll untersucht werden, ob die beschriebenen
Probleme den Hauptgruppen korrekt zugeordnet sind und ob wichtige
Einzelprobleme vergessen wurden. Um dies beurteilen zu können, haben wir einen
Dokumentationsbogen (in der Druckausgabe der Pharmazeutischen Zeitung oder bei
der Autorin anzufordern) zur Erfassung arzneimittelbezogener Probleme entwickelt.
Was dokumentationswürdig ist, entscheiden die teilnehmenden Apotheker selbst.
Anhaltspunkte:
*unzweckmäßige Wahl eines Arzneimittels (wie Arzneimittel für die Indikation
ungeeignet, physiolgische Kontraindikation nicht berücksichtigt oder fehlende
Applikationshilfen)
* unzweckmäßige Anwendung durch Patienten/Compliance (wie mangelndes
Wissen über die korrekte Applikation, Handhabungsprobleme des Patienten oder
unzweckmäßiges Dauer der Anwendung)
* unzweckmäßige Dosierung (wie Patient kennt seine Dosierung nicht, keine Stärke
angegeben, wenn mehrere Stärken verfügbar, unzweckmäßige Dosierungsintervalle)
* Arzneimittelinteraktionen (wie Symptome einer Interaktion, Hinweis auf eine
Interaktion durch die Literatur oder Angst des Patienten vor einer Interaktion)
* unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen (wie Angst des Patienten vor
unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen, Medikationsstop aufgrund einer nicht
akzeptablen Unverträglichkeit)
* patientbezogene Probleme (wie begrenztes Wissen über die Art der Erkrankung,
Patient erhält trotz bestehender Indikation kein Arzneimittel, unzweckmäßiger
Lebensstil des Patienten)
* kommunikationsbezogene Probleme (Text der Packungsbeilage zu schwierig,
falsch verarbeitete Information von anderen Gesundheitsanbietern)
* technische und logistische Probleme (Verordnung erfolgte für falschen Patienten,
Probleme mit Krankenkassen oder unvollständig ausgefülltes Rezept
Informationen sollten über distributive oder administrative Probleme (verordnetes
Arzneimittel außer Handel. Arzneimittelname falsch geschrieben, fehlende
Packungsgröße et cetera) hinausgehen. Dazu wird in den meisten Fällen ein Kontakt
mit den verordnenden Ärzten notwendig sein.
Bitte schicken Sie die ausgefüllten Bögen an folgende Adresse zurück: Dr. Marion
Schaefer, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Pharmazie, Goethestraße 54,
13086 Berlin, Fax: 030/4674243). Die Bögen müssen besonders sorgfältig und gut
leserlich ausgefüllt werden, da sonst wichtige Informationen verlorengehen können.
Name und Anschrift der einsendenden Apotheke können, müssen aber nicht
angegeben werden. Die Nennung von Fax- oder Telefonnummer wäre für eine
eventuell notwendige Rücktrage jedoch nützlich.
Die Entwicklung eines computergängigen Klassifizierungssystems ist ein weiterer
Baustein der Pharmazeutischen Betreuung, mit der die Apotheken nicht nur ihre
Unverzichtbarkeit bekräftigen, sondern auch konkret mit Zahlen und Daten belegen.
PZ-Artikel von Marion Schaefer, Berlin
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de