Politik
Britische Arzneimittelbehörden suchen nach Wegen, um bislang
vertrauliche Rezeptinformationen an Pharmahersteller und andere
kommerzielle Organisationen verkaufen zu können. Die Pharmaindustrie
begrüßt das Vorhaben. Patientenverbände fürchten um den Datenschutz.
Britische Apothekerverbände haben grundsätzlich keine Vorbehalte,
gespeicherte Informationen kommerziell zu nutzen, vorausgesetzt,
datenschutzrechtliche Bestimmungen werden eingehalten.
"Es ist Unsinn, eine der vollständigsten und aktuellsten Sammlungen von
Verschreibungsinformationen zu haben und diese nicht kommerziell nutzen zu
können", beklagte jetzt der Hauptgeschäftsführer der Prescription Pricing Authority
(PPA), Alan Hilton. Die PPA sammelt die innerhalb des staatlichen britischen
Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) ausgestellten Rezepte und gibt
die darauf vermerkten Informationen in eine zentrale Datenbank ein. Derzeit wird die
Behörde zum Großteil aus Steuergeldern finanziert. Gesundheitsminister Frank
Dobson drängt jedoch darauf, die PPA-Zuschüsse zu kürzen. Die Behörde soll
stattdessen Geld mit diversen kommerziellen Dienstleistungen einnehmen. Die
geplante Öffnung der PPA-Datenbank für Arzneimittelhersteller und andere wäre
eine mögliche Einnahmequelle. Im Geschäftsjahr 1996/97 erwirtschaftete die
Behörde einen Bilanzüberschuß von 1,9 Millionen Pfund (5,7 Millionen DM).
Jahrelang hatte sie Verluste eingefahren, zuletzt umgerechnet rund drei Millionen DM
im Geschäftsjahr 1995/96.
Schreibt ein britischer NHS-Arzt ein Rezept aus, leitet der Apotheker das
Rezeptformular nach der Einlösung weiter an die PPA. Diese erfaßt außer dem
Alter, Wohnort und Geschlecht des Patienten unter anderem die Wirkstoffgruppe
und andere pharmakologische Details. Die rund 10.000 britischen Apotheker leiten
ihre Rezeptformulare seit nunmehr 50 Jahren fast täglich an die PPA weiter, so daß
die umfangreiche Datensammlung ein exaktes Spiegelbild der
Verschreibungsgewohnheiten wiedergibt.
Britische Apothekerverbände wie die Royal Pharmaceutical Society (RPS) haben
zwar keine grundsätzlichen Einwände gegen eine Öffnung der PPA-Datenbank.
Freilich: "Zunächst muß durch ein Protokoll sichergestellt sein, daß alle
datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden", so eine Sprecherin zur
PZ in London. Das Thema Datenschutz hat in Großbritannien anders als in
Deutschland bislang eher untergeordnete Bedeutung.
Derzeit ist es der PPA untersagt, Informationen an Außenstehende weiter zu geben.
PPA-Hauptgeschäftsführer Hilton ist der Meinung, daß es möglich sei,
Rezeptinformationen kommerziell zu verkaufen und gleichzeitig die
datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht zu verletzen. Die PPA verhandele derzeit
mit dem Londoner Gesundheitsministerium. Ein Ethikprotokoll soll definieren,
welche Informationen an wen und unter welchen Bedingungen weitergegeben
werden dürfen. "Die Verhandlungen gestalten sich schwierig", gestand der
PPA-Hauptgeschäftsführer. Die britische Pharmaindustrie ist für eine begrenzte
Öffnung der PPA-Datensammlung.
Apothekerverbände im Königreich sind der Meinung, eine sinnvolle Nutzung der
PPA-Daten könnte nicht zuletzt einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung
leisten.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London
© 1997 GOVI-Verlag
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