Politik
Sparen, sparen, aber wo und wie? Und: Wie geht es weiter nach der
Bundestagswahl im Herbst? Um diese Fragen kreiste eine
Diskussionsrunde am 27. März anläßlich der Interpharm und des Offenen
Apothekertages Baden-Württemberg in Stuttgart. Die Diskutanten auf dem
"weißen Sofa" - ABDA-Präsident Hans-Günter Friese, Karl Jung,
Vorsitzender des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, und
Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes in Bonn - vertraten dazu naturgemäß
unterschiedliche Meinungen.
Die Arzneimittelausgaben liegen heute bei etwa elf Prozent der gesamten
GKV-Ausgaben. Damit seien überproportionale Einsparungen geleistet worden,
leitete Moderator Dr. Klaus Brauer ein und rief damit sofort den
Krankenkassenvertreter auf den Plan. Auch wenn das deutsche Gesundheitswesen
nicht an Einsparungen im Arzneimittelbereich genesen werde, so könnte doch
erheblich gespart werden, vertrat Ahrens. Die Krankenkassen wollten Übermaß
beschneiden, ohne dem Patienten zu schaden. Auch Jung sieht noch Reserven bei
"unwirksamen, überflüssigen, nicht geprüften oder zu teuren Medikamenten".
Als ein probates Instrument zum Sparen - neben den ärztlichen Qualitätszirkeln -
propagierte Ahrens die Positivliste; sie schaffe Transparenz. Doch nur wenn
ausgeschlossene Arzneimittel nicht durch andere, zu Lasten der GKV
verordnungsfähige Mittel substituiert würden, führe eine Liste zu Einsparungen,
entgegnete Friese. Auch Jung hatte Bedenken: Eine Positivliste wäre attraktiv, sei
jedoch nicht zu realisieren. Die Arzneimittelpreisverordnung - von Friese gelobt als
"Sparinstrument par excellence", an dem die Apotheker festhielten - ist für Ahrens
"schlicht ein falscher Ansatz". Er riet den Apothekern, sich auf ihr Berufsbild zu
besinnen. Das Entgelt für die Beratung dürfe nicht vom Preis des Arzneimittels
abhängen.
Zum Stichwort Modellvorhaben und Strukturverträge bot Friese nachdrücklich die
Mitarbeit der Apotheker an. "Warum wollen Sie nicht mit dem Apotheker sparen",
fragte er Ahrens. Die Apotheker seien bereit, mit den Krankenkassen über
Strukturverträge zu verhandeln. Doch damit stieß er auf (fast) taube Ohren. Zwar
könne man über Pharmaceutical Care oder eine Verbesserung der Selbstmedikation
reden, doch derzeit liefen alle Modellvorhaben gut ohne Apotheker, entgegnete der
AOK-Vorsitzende. Er sehe keinen Grund, auf die Apotheker zuzugehen. Vielmehr
müßten diese ein konkretes Modell unterbreiten, wie sie die Qualität der
Patientenversorgung bei gleichzeitigen Einsparungen anheben wollen. Friese verwies
auf die aktuellen Studien, zum Beispiel in Baden-Württemberg zur
Diabetikerbetreuung oder in Westfalen-Lippe zur Betreuung älterer multimorbider
Patienten.
Einzelvertragliche Regelungen lehnte Friese entschieden ab. Dies jedoch, "wenn die
Qualitätsnormen stimmen", sieht Ahrens als einzige Chance, Krankenhäuser vom
Markt zu nehmen. "Es gibt zu viele Ärzte und zu viele Krankenhäuser." Etwa
zwanzig Prozent der stationär aufgenommenen Patienten könnten anders versorgt
werden. Dies sei aber nur zu erreichen, wenn Betten, Abteilungen und ganze
Kliniken geschlossen würden.
Doch auch hier äußerte Jung Bedenken; er sehe derzeit niemanden, der dem
Wildwuchs im Krankenhaussektor Einhalt gebieten könne. Trotz aller
Sparprogramme: Auch nach dem Herbst werde die Schere zwischen sinkenden
Einnahmen und explodierenden Ausgaben im Gesundheitswesen weiter klaffen. "Der
Verteilungskampf geht weiter."
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, Stuttgart
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de