Apotheker verurteilen Rechtsbruch |
25.03.2002 00:00 Uhr |
BKK BAYERN
PZ Der Bayerische Apothekerverband und die ABDA werfen dem Betriebskrankenkassen (BKK) Landesverband offenen Rechtsbruch vor. Der Verband hat einen Liefervertrag mit der Internet-Apotheke DocMorris abgeschlossen.
Der Bayerische Apothekerverband (BAV) will beim Sozialgericht eine Einstweilige Anordnung gegen den Krankenkassenverband erwirken. Apothekerverband-Vorsitzender Gerhard Reichert: "Ich bin entsetzt über den offenen Rechtsbruch der Betriebskrankenkassen. Versandhandel ist in Deutschland aus guten Gründen per Gesetz verboten. Wenn eine gesetzliche Krankenkasse einen ungesetzlichen Vertrag unterschreibt, so ist dies ein Affront gegen unsere staatliche Grundordnung."
Der BKK Landesverband hatte in der vergangenen Woche einen Vertrag mit DocMorris der Öffentlichkeit vorgestellt,. Danach soll der niederländische Arzneiversender die Rezepte von BKK-Versicherten beliefern. Je nach Preis des Medikaments gewährt DocMorris den BKKs einen Rabatt zwischen 2 bis 9 Prozent gegenüber dem Apothekenpreis.
Mit dem Vertrag und der damit zugesagten Erstattung der aus den Niederlanden bezogenen Medikamente trete der BKK Landesverband den Verbraucherschutz ihrer Versicherten mit Füßen. "Beim Versandhandel ist die Arzneimittel-Sicherheit und die pharmazeutische Fachberatung nicht gewährleistet", sagt Reichert und fügt hinzu: "Zu Nebenwirkungen und Risiken können sie nicht den Postboten befragen."
Unglaubliche Ignoranz
Empört zeigte sich auch ABDA-Präsident Hans-Günter Friese: "Deutschland verkommt offenbar zunehmend zu einem Krankenkassenstaat, in dem geltendes Recht nur noch dann beachtet wird, wenn es den Interessen der Kassenfunktionäre nutzt. Dieser Vertrag ist klar rechtswidrig", betonte Friese. Er forderte die bayerische Staatsregierung auf, diese illegalen Praktiken schnellsten zu unterbinden.
Versandhandel mit Arzneimitteln ist in Deutschland aus Gründen der Arzneimittelsicherheit verboten. Dem Internet-Versender DocMorris ist mit zwei rechtskräftigen Einstweiligen Verfügungen untersagt, seine Lieferungen nach Deutschland weiter zu betreiben. Wenn ein Krankenkassenverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Kenntnis dieser Umstände nun einen entsprechenden Liefervertrag abschließt und für diesen auch noch mit Hochglanzbroschüren wirbt, zeuge dies von einer unglaublichen Ignoranz und Arroganz gegenüber dem Gesetzgeber.
Der Vorstandsvorsitzende dieses Verbandes, selbst ehemaliger Ministerialdirektor im Bundesgesundheitsministerium und damit einer der höchsten deutschen Beamten, Gerhard Schulte, glaube offenkundig, mit diesem offenen Rechtsbruch Fakten schaffen zu können, am Gesetzgeber vorbei und gegen dessen erklärten Willen, so Friese weiter.
So hat der Bayerische Landtag sich im vergangenen Jahr einstimmig über alle Fraktionen hinweg gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln ausgesprochen. Und erst vor zwei Wochen hat die Bundesregierung in Beantwortung einer schriftlichen Frage im Bundestag nochmals eindeutig erklärt, dass Versandhandel in Deutschland nicht nur verboten, sondern dass dieses Verbot auch mit europäischem Recht konform sei. Es sei Aufgabe der zuständigen Aufsichtsbehörden, die Einhaltung durchzusetzen.
Friese begrüßte die schnelle Ankündigung des bayerischen Sozialministeriums, den Vertrag im Wege der Rechtsaufsicht zu überprüfen. Die angekündigte Frist bis in den April hinein hielt er allerdings nicht für akzeptabel. "Der hier begangene Rechtsbruch ist so eindeutig, dass er schnellsten unterbunden werden muss." Notfalls müsse sich der Bayerische Ministerpräsident und CDU/CSU-Kanzlerkandidat, Dr. Edmund Stoiber, persönlich einschalten. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Bayern offener Gesetzesbruch toleriert wird." Gegenüber dem BAV hat das Ministerium unterdessen betont, dass es den Versandhandel mit Arzneimitteln weiterhin ablehne.
Schmidt für Internet-Versandhandel
Auf Unterstützung durch die Bundesregierung können Apotheker immer weniger hoffen. Das Bundesgesundheitsministerium distanziert sich immer stärker von dem erst vor vier Jahren verabschiedeten Versandhandelsverbot. In der Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am vergangenen Donnerstag ihre Pläne zur Einführung des Arzneimittelhandels im Internet bekräftigt.
"Voraussetzung ist die Sicherstellung des Verbraucherschutzes und weiterhin eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung durch die Apotheken einschließlich des Nacht- und Not-Dienstes", sagte sie der in Bonn erscheinenden Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" vom vergangenen Donnerstag. Schmidt hatte sich im vergangenen Herbst dafür ausgesprochen, den Versandhandel mit Medikamenten freizugeben.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Wolfgang Lohmann, sprach sich in dem Blatt gegen den Online-Handel aus. "Arzneimittelsicherheit und Arzneimittelqualität sind nur durch den approbierten Apotheker gewährleistet", sagte er. Zudem sei eine Notfallversorgung über das Internet nicht möglich.
von Daniel Rücker, Eschborn
Vor einer Woche hat der BKK Landesverband Bayern einen Vertrag mit DocMorris geschlossen. Trotz Versandhandelsverbot wollen die Betriebskrankenkassen Rezepte ihrer Versicherter erstatten, wenn diese bei der Internet-Apotheke ihre Arznei bestellen. Die Pharmazeutische Zeitung sprach mit dem Vorsitzenden des bayerischen Apothekerverbands Gerhard Reichert.
PZ: Versicherte bayerischer BKKs können ab sofort Arzneimittel
bei DocMorris bestellen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Halten
Sie dieses Vorgehen für rechtmäßig?
Reichert: Dieses Vorgehen ist absolut illegal. Es stellt eine noch nie
gekannte Provokation der Apotheker dar.
PZ: Wie wird der Verband auf diesen Rechtsbruch reagieren?
Reichert: Wir haben bereits reagiert. Wir haben zunächst das
zuständige Bayerische Sozialministerium um Verbot des vorliegenden
Vertrages ersucht. Wir haben in Presseerklärungen breitgestreut die
Printmedien Bayerns informiert. Wir haben die politisch relevanten
Gesundheitspolitiker der Parteien angesprochen. Wir haben auf einer
Großveranstaltung in Nürnberg eine Resolution verfasst, die das
zuständige Staatsministerium dringend ersucht, diesen illegalen Praktiken
Einhalt zu gebieten. Diese Resolution wurde von mehr als 800 Pharmazeuten
unterschrieben. Wir bereiten derzeit einen Antrag auf einstweilige
Anordnung vor dem Sozialgericht München vor. Wir werden diesen
ungeheuerlichen Rechtsbruch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln
beantworten.
PZ: Wie wird sich das Verhalten der BKK auf die Apotheken in
Bayern auswirken?
Reichert: Zunächst vermutlich gar nicht. Wir müssen davon ausgehen,
dass der Vorstandsvorsitzende des BKK Landesverbandes Bayern, Herr
Schulte, im Prinzip von uns verklagt werden möchte, um sich in einem
weiteren Fall an den EuGH zu wenden. Angesichts des abgeschlossenen
rechtswidrigen Vertrages werden wir wohl gar nicht anders können, als
Herrn Schulte beziehungsweise den BKK Landesverband zu verklagen.
PZ: In einer ersten Stellungnahme hat sich das bayerische
Sozialministerium recht zurückhaltend geäußert und lediglich eine
Prüfung zugesagt. Befürchten Sie einen Meinungswechsel im Ministerium,
das sich bislang immer strikt gegen den Versandhandel ausgesprochen hat?
Reichert: Wir gehen davon aus, dass sich die Einstellung des
Bayerischen Sozialministeriums nicht geändert hat. Frau Staatsministerin
Christa Stewens hat uns legitimiert, in aller Öffentlichkeit zu
verbreiten, dass das Staatsministerium nach wie vor jeglichen
Versandhandel ablehnt. Dies steht im Einklang mit einem
parteiübergreifenden einstimmigen Votum des Bayerischen Landtags.
PZ: Die bayerische Landesregierung hat bislang immer eindeutig
Stellung gegen den Versand bezogen. Kann sie einen solchen Rechtsbruch
hinnehmen?
Reichert: Die Landesregierung wird dies sicherlich nicht hinnehmen.
Dies wurde uns ausdrücklich aus dem Sozialministerium und dem
Gesundheitsministerium bestätigt.
PZ: Nach Ansicht des Aufsichtsamt dürfen Krankenkassen keine
Rezepte von DocMorris erstatten. Haben Sie schon mit dem
Bundesversicherungsamt Kontakt aufgenommen?
Reichert: Das Bundesversicherungsamt ist nur zuständig für
bundesweit operierende Kassen. Für den BKK Landesverband Bayern ist das
Bayerische Sozialministerium die Aufsichtsbehörde und mit diesem haben
wir uns innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden des geschlossenen
Vertrages in Verbindung gesetzt und eine unverzügliche Prüfung
gefordert.
PZ: Warum hat der BKK Landesverband diesen Vertrag mit DocMorris
geschlossen? Vereinbart sind Rabatte zwischen 2 und 9 Prozent auf den
Apothekenpreis. Große Einsparungen sind so nicht zu erzielen, zumal die
Kassen einen Teil des Geldes dafür benötigen werden, ihren Kunden das
Angebot schmackhaft zu machen.
Reichert: Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der BKK Landesverband
im Prinzip lediglich die Zulässigkeit des Versandhandels über den EuGH
erzwingen will. Große Einsparungen sind mit Sicherheit nicht zu erwarten.
Sollte es jedoch tatsächlich zu einer Zulassung des Versandhandels
kommen, wären die Folgen für die Arzneimittelsicherheit, die zeit- und
ortsnahe Versorgung und den flächendeckenden Nacht- und Notdienst mehr
als fatal. Leidtragende wären die Patienten und Versicherten, die eine
wesentliche Verschlechterung der Versorgung mit Arzneimitteln hinnehmen
müssten. Hiergegen werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden
Mitteln kämpfen.
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