Politik
Die Patienten in Hessen haben zu ihren Hausärzten offensichtlich großes
Vertrauen. Entgegen den Befürchtungen vieler Ärzte nehmen es ihnen die
Kranken auch nicht übel, wenn ein gewünschtes Medikament nicht
verordnet wird oder wenn sie auf ein preiswerteres Generikum umgestellt
werden. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von 1616 Patienten
hessischer Hausarztpraxen.
"Wenn ein Arzt seine ablehnende Haltung zu einem Verordnungswunsch medizinisch
begründen kann, zeigen die meisten Patienten dafür Verständnis", erläuterte der
Studienleiter Dr. Joachim Szecsenyi vom Institut für Angewandte Qualitätsförderung
und Forschung im Gesundheitswesen am 18. März in Frankfurt am Main.
Auftraggeber der Studie waren die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen und
derVerband der Angestellten-Krankenkassen. Verärgert sind Patienten vor allem
dann, wenn der Arzt die Ablehnung mit allgemeinen Floskeln begründet, etwa mit
einem Hinweis auf die Gesundheitsreform oder Schwierigkeiten mit der
Krankenkasse.
Unbegründet sei die Sorge, daß Patienten nicht wiederkommen, wenn ihnen ein
Medikament verwehrt wurde, sagte Szecsenyi weiter. Lediglich 3,4 Prozent der
Befragten gaben an, aus diesem Grund schon einmal den Hausarzt gewechselt zu
haben. Dem stehen 6,4 Prozent gegenüber, die den Hausarzt wechselten, weil er
ihrer Meinung zu schnell zum Rezeptblock greift.
Zumindest nach den Ergebnissen der Umfrage zeigen Patienten auch großes
Verständnis dafür, wenn ein Arzt anstelle des Originalpräparates ein Generikum
verordnet. So gaben 69,2 Prozent der Befragten an, daß sie mit der Umstellung auf
ein preiswerteres gleichwertiges Medikament einverstanden wären.
Grundsätzlich schnitten Hessens Allgemeinmediziner in der Umfrage sehr gut ab. 55
Prozent der Befragten sind mit ihrem Hausarzt sehr zufrieden, 38 sind zufrieden.
Kritisiert wurde in erster Linie, daß einige Ärzte alternative Behandlungsmethoden
nicht anbieten. Immerhin 35,9 Prozent der Befragten bemängelte dies. Mit jeweils
30 Prozent folgten Beschwerden über mangelnde Erklärungen zu Nebenwirkungen
von Medikamenten und die fehlende Beratung zu nicht-medikamentösen
Therapieformen.
Der Vorsitzende der KV-Hessen, Dr. Jürgen Bausch, sieht das Ergebnis der Studie
als Aufforderung noch mehr Generika einzusetzen. Die Umfrage beweise, daß die
Patienten Nachahmerpräparate akzeptierten, wenn der Arzt eine plausible und
verständliche Begründung dafür liefere. Er forderte die Krankenkassen dazu auf, ihre
Versicherten intensiver über den Nutzen von Generika zu informieren.
Ebenfalls untersucht wurde in der Studie, welche Gründe Patienten angeben, wenn
sie ihre Medikamente nicht oder nicht richtig einnehmen. Erwartungsgemäß stehen
hierbei Nebenwirkungen beziehungsweise die Furcht davor an vorderster Stelle. 32
Prozent der Patienten, die sich nicht an die Vorgaben ihres Arztes hielten, gaben
tatsächliche Nebenwirkungen an. 14 Prozent befürchteten Nebenwirkungen.
Weitere Gründe für Non-Compliance waren die Besserung der Beschwerden und
Vergeßlichkeit (jeweils 10 Prozent).
Die Umfrageergebnisse zur Compliance müssen aber wohl mit einiger Vorsicht
genossen werden, denn lediglich 301 Personen (21 Prozent der Befragten) gaben
an, ein Medikament anders als von ihrem Hausarzt verordnet eingenommen zu
haben. Diese Zahl steht in deutlichen Widerspruch zu anderen Umfrageergebnissen,
bei denen wesentlich höhere Non-Compliance-Quoten ermittelt wurden. So geht die
ABDA davon aus, daß bis zu 50 Prozent aller Medikamente nicht korrekt
eingenommen werden
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Frankfurt am Main
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