Politik
In wenigen Jahren gehört das auf Papier gedruckte Rezept der
Vergangenheit an. Spätestens ab dem Jahr 2002 werde eine
Arzneimittelverordnung grundsätzlich auf einem elektronischen Datenträger
in die Apotheke gelangen, erwartet Dr. Claus Brill von der ABDA -
Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
"Die Frage, ob das elektronische Rezept kommt, ist bereits entschieden." Fraglich
sei nur noch, in welcher Form es eingeführt wird, sagte Brill auf dem Hessischen
Apothekertag am 14. März in Gießen. Deshalb habe die ABDA ein Konzept für das
elektronische Rezept entwickelt, in dem die Apotheker eine wichtige Rolle spielen.
Nach den Vorstellungen der ABDA speichert der Arzt seine Verordnung in Zukunft
auf eine Smart-Card, das ist eine Plastikkarte mit Mikrochip ähnlich einer
EC-Karte. Mit seinem elektronischen Rezept geht der Patient dann in die Apotheke,
dort wird die Smart-Card in einen Leseterminal eingeführt, und das Rezept kann
beliefert werden. Gleichzeitig wird das Rezept in der Apotheken-EDV gespeichert.
Die Rezepte eines Tages werden gesammelt und nachts an die
Apothekenrechenzentren überspielt, führte Brill aus. Die Alternative dazu sei eine
Standleitung, über die jedes Rezept an das Apothekenrechenzentrum übermittelt
wird, unmittelbar nachdem es die Apotheke beliefert hat. Diese Version lehnt Brill
jedoch ab, da sie mit erheblichen Telefonkosten verbunden sei.
Mt dem elektronischen Rezept werde eine Informationskette aufgebaut, mit der
Daten ausschließlich elektronisch übertragen werden können, sagte Brill. Einen
Medienbruch, etwa die Umwandlung von Computerdaten in gedruckte Information,
gebe es nicht. Heute gelange ein Rezept erst zwei Wochen, nachdem es ausgestellt
wurde, zu den Rechenzentren. Ein zeitnahes Controlling des ärztlichen
Verordnungsverhaltens sei deshalb nicht möglich.
Es sprechen jedoch nicht nur ökonomische Gründe für das elektronische Rezept. So
arbeite ABDATA zur Zeit an der direkten formalen und pharmakologischen
Überprüfung des Rezeptes mit Hilfe der ABDA-Datenbank ermöglicht, erläuterte
Brill. Wenn Interaktionen zwischen den verordneten Medikamenten oder mit früher
gekauften Präparaten zu erwarten seien, dann erzeuge die Software einen
Warnhinweis. Dies geschehe auch, wenn das verordnete Präparat nicht zu den
Personendaten passe. Etwa wenn einem Kind ein Medikament verordnet wurde,
das für Kinder nicht geeignet sei. Nach Brills Angaben sollen diese Medizinischen
Interventionsmodule (MIV-Module) im Sommer zur Verfügung stehen.
Die Gefahr, daß sich die Apotheker durch solche Interventionsmodule selbst
überflüssig machen, sieht Brill nicht. Die Software liefere lediglich stereotype
Warnhinweise, die der Bewertung durch einen Arzt oder Apotheker bedürften.
Wahrscheinlich seien mehr als die Hälfte aller Warnhinweise im konkreten Fall
irrelevant, erwartet Brill. Der Apotheker werde deshalb nach seiner Einschätzung
nicht überflüssig, sondern im Gegenteil noch wichtiger als bislang.
Ob das elektronische Rezept so aussehen wird, wie es sich die ABDA wünscht, ist
allerdings noch nicht endgültig entschieden. Denn es gibt ein Alternativkonzept, bei
dem der Arzt das Rezept nicht auf einer Smart-Card, sondern auf einem zentralen
Server speichert. Auf diesen Großrechner hätten alle Ärzte und Apotheker via
Telefonleitung Zugriff. Wenn der Kunde in die Apotheke kommt, autorisiert er den
Apotheker, dieses Rezept vom Server abzurufen und zu beliefern. Brill hält diese
Lösung für wesentlich schlechter als den ABDA-Vorschlag. Hierbei fielen enorme
Telefongebühren an, nach Schätzungen der ABDA bundesweit 140 Millionen DM
pro Jahr. Außerdem sei die Serverlösung wesentlich störanfälliger als die
Smart-Card.
Trotz der offensichtlichen Nachteile sei die Serverlösung aber noch nicht vom Tisch,
denn ein großer zentraler Rechner, über den Verordnungen von jährlich 30
Milliarden DM liefen, wecke Begehrlichkeiten bei einigen Beteiligten. Die Kontrolle
über die Daten auf einem solchen Rechner sei mehr als verlockend. Brill bezeichnete
es deshalb als vordringliche Aufgabe der Apothekerschaft, sich auf allen
Entscheidungsfindungsebenen für die Smart-Card-Lösung stark zu machen.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Gießen
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