Politik
Das zweite
Neuordnungsgesetz (NOG 2) für die gesetzliche
Krankenversicherung wird voraussichtlich am Freitag dem
21. März vom Bundestag endgültig verabschiedet. Den Weg
dazu machte in der vergangenen Woche die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion frei. Nach dem internen Streit
über die Finanzierung künftiger Beitragserhöhungen
billigte sie ebenso wie der liberale Koalitionspartner
die in der PZ bereits vorgestellten Pläne von
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer für eine
drastisch erhöhte Selbstbeteiligung der Versicherten.
Außerdem ziehen entsprechend dem noch nicht
rechtskräftigen ersten GKV-Neuordnungsgesetz (NOG 1)
weitere Beitragssatzanhebungen der Krankenkassen
automatisch noch höhere Zuzahlungen bei Medikamenten,
Heil- und Hilfsmitteln nach sich. Nach dem Willen von
Union und Liberalen ist der 11. März dieses Jahres
dafür der entscheidende Stichtag. Das sorgte prompt für
neuen Zündstoff in der gesundheitspolitischen
Atmosphäre: Alle Angestellten-Ersatzkassen sowie einige
Orts- und Innungskrankenkassen düpierten
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer und beantragten
am 10. März bei den für sie zuständigen
Aufsichtsbehörden eine zusätzliche Beitragssatzanhebung
zum 1. Mai.
Eckart Fiedler, Vorstandsvorsitzender der
Barmer-Ersatzkasse, kündigte dazu in Bonn an, seine
Kasse werde den Beitragssatz in Westdeutschland um 0,5
auf 13,9 Prozentpunkte anheben. Für die neuen Länder
soll sich der Beitragssatz um 0,4 auf dann ebenfalls 13,9
Prozentpunkte erhöhen. Es gebe unter Rechtsexperten kaum
Zweifel daran, daß die Stichtagsregelung juristisch
nicht haltbar sei. Das zweite GKV-Neuordnungsgesetz sei
bisher nicht vom Bundestag sanktioniert worden. Einzelne
Parlamentsfraktionen hält Fiedler unter Hinweis auf
Gerichtsurteile dazu nicht für legitimiert.
Zugleich ließ er keinen Zweifel daran, daß seine Kasse
alle rechtlichen Möglichkeiten beschreiten werde, um
notfalls diesen Sachverhalt zu klären. Nur wenn sich die
Koalition in letzter Minute zu wirksamen
kostendämpfenden Reformen entschließe, könne auf den
höheren Beitragssatz verzichtet werden.
Fiedler warnt die Leistungserbringer
Fiedler warnte die Leistungserbringer im
Gesundheitswesen davor, sich von der Politik um geringer
finanzieller Vorteile willen gegen die Krankenkassen
aufputschen zu lassen. Am Ende seien dann kaum noch
partnerschaftliche Absprachen möglich. Scharfe Angriffe
richtete der Barmer-Chef gegen Bundesgesundheitsminister
Horst Seehofer. Er habe seine politische Glaubwürdigkeit
unter dem Druck der FDP verspielt.
Der CSU-Politiker seinerseits ließ keinen Zweifel daran,
daß er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln
sowohl das erste als auch das zweite
GKV-Neuordnungsgesetz konsequent durchsetzen werde.
Selbstverständlich blieben die Krankenkassen
verpflichtet, nach einer Beitragssatzanhebung ab 11.
März ihren Versicherten eine höhere Selbstbeteiligung
abzuverlangen. Die gestellten Anträge der Kassen griffen
nicht mehr in diesen Mechanismus ein. Der Stichtag greife
nur bei aufsichtsrechtlich bereits genehmigten
Erhöhungen. Das letzte Wort in diesem Streit hat
vermutlich das Bundesverfassungsgericht.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn
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