Politik
"Die
kassenärztlichen Vereinigungen sind immun gegen die
Belange von chronisch kranken Schmerzpatienten und
resistent gegenüber Versuchen, dagegen anzugehen",
sagte Dr. Dietrich Jungck, Vizepräsident des
schmerztherapeutischen Kolloquiums, auf dem Deutschen
Schmerztag in Frankfurt.
Sieben Millionen Menschen leiden an chronischen
Schmerzen, 600000 davon so schwer, daß ihr Leiden als
eigenständige Schmerzkrankheit gilt. Die Behandlung von
Schmerzpatienten schlägt mit 60 Milliarden DM pro Jahr
zu Buche. Das ist offensichtlich zu viel. Denn: "Es
schaut so aus, als ob mit Budgetierung und
Honorationssystem für Ärzte die ambulante
Schmerztherapie platt gemacht werden soll", vermutet
Jungck.
Kurzatmige Sparmaßnahmnen würden zum finanziellen
Bumerang für das Gesundheitswesen, warnte Dr. Thomas
Flöter, Präsident der Veranstaltung und des
schmerztherapeutischen Kolloquiums. Erstens verhindere
die Behandlung des Akutschmerzes die Chronifizierung des
Leidens und zweitens verkürze eine angemessene, unter
Umständen teurere Therapie die Arbeitsunfähigkeit und
vermeide Frühberentung.
Aber die Realität sieht anders aus: In nur 200
Spezialeinrichtungen müßten 600000 Patienten mit
problematischen Schmerzkrankheiten betreut werden. Nur 15
Prozent von ihnen sind deshalb angemessen versorgt.
Erforderlich wären eigentlich 2000 Spezialkliniken. Pro
Patient und Quartal erhalten Ärzte je nach Fachrichtung
nur noch eine Ordinationsgebühr von durchschnittlich 35
DM für Injektionen, Untersuchungen oder Nervenblockaden.
Neben medizinischer Behandlung brauchen Schmerzpatienten
aber auch das persönliche Gespräch mit dem Arzt, zum
Beispiel für die Handhabung eines Schmerztagebuchs.
Gesprächsleistungen sind jedoch budgetiert.
Diagnostische und therapeutische Lokalanästhesien,
Maßnahmen zum Medikamentenentzug oder die Einstellung
auf Opioid-Analgetika können nur noch eingeschränkt
ambulant erfolgen, weil sie nicht angemessen vergütet
werden. "Der gesetzliche Sicherstellungsauftrag für
die Schmerzkranken kann so nicht mehr erfüllt
werden", sagte Jungck. Bei Opiaten kommt ein
weiteres Dilemma hinzu: Das Arzneimittelbudget wurde auf
Basis der Ausgaben von 1993 erstellt. Doch wurden zu
dieser Zeit Präparate, die auf Betäubungsmittelrezept
verordnet wurden, statistisch nicht in den Arzneiausgaben
erfaßt. Das erfolgt erst seit 1995. Dies hat zur Folge,
daß alle jetzt verschriebenen Betäubungsmittel das
Arzneimittelbudget belasten, weil sie gar nicht
eingeplant waren. Für 1996 sind das rund 150 Millionen
DM.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt
© 1996 GOVI-Verlag
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