Politik
Die Schweizer
Krankenversicherung Helsana will ab April 1997
Medikamente direkt an die Versicherten versenden. Trotz
wenig eindeutiger Rechtslage wollen die Behörden das
Projekt nicht stoppen. Die eidgenössischen Apotheker
bezweifeln, daß diese Distributionsform einen Vorteil
hat.
Ziel des Versandhandels sei nicht, die
Apothekenlandschaft zu zerstören, sagte Dr. Christian
Köpe, Leiter Managed Care bei der Helsana, auf einer
Forum-Konferenz am 31. Januar in Basel. Vielmehr solle
durch die Erprobung des Versandhandels die Pluralität
der Arzneimittelvertriebswege erhöht werden und über
den Wettbewerb mehr Effizienz erreicht werden. Unter dem
Namen Mediservice hat seine Versicherung ein
Versandhandelsmodell vorbereitet, das in zwei Monaten im
Schweizer Kanton Solothurn starten soll.
In der Schweiz ist die Arzneimitteldistribution auf
kantonaler Ebene geregelt, ein nationales Gesetz wie in
der Bundesrepublik gibt es nicht. In einigen Kantonen,
etwa Solothurn, fehlt eine Regelung zum Versandhandel.
Dies will die Helsana jetzt für einen Modellversuch
ausnutzen. Mediservice soll nach den Angaben des
Geschäftsführenden Direktors, Jean Pierre Krähenbühl,
nicht nur Arzneimittel versenden, sondern seine
Versicherten auch telefonisch beraten. Dazu seien eigens
Apotheker eingestellt worden, die gratis Auskunft über
Medikamente geben. Der Versand der Arzneimittel erfolgt
über die Schweizer Post. Mediservice werde das gesamte
Arzneimittelsortiment führen, kündigte Krähenbühl an.
Nach seinen Berechnungen könnten durch Mediservice die
Arzneimittelkosten um 10 bis 15 Prozent gesenkt werden.
Große Skepsis bei Schweizer Apothekern
Diese Erwartungen hält Dr. Max Brentano-Motta,
Präsident des Schweizer Apothekervereins (SAV), für
völlig unrealistisch. Einsparungen in der
Größenordnung seien nur zu erzielen, wenn die
Versandapotheke nur finanziell attraktive Medikamente
distribuiere. In erster Linie spreche aber die
Arzneimittelsicherheit gegen den Versandhandel. Ohne den
Apotheker als Ansprechpartner sinke die Effizienz einer
Medikation drastisch. Es bestehe die berechtigte Sorge,
daß noch mehr Medikamente nicht oder falsch dosiert
eingenommen würden (heute bereits 40 bis 50 Prozent).
Zum persönlichen Kontakt zwischen Patienten und
Apotheker gebe es keine Alternative.
Die eidgenössischen Behörden scheinen das Projekt erst
einmal beobachten zu wollen. Sie sehen zwar Probleme beim
Versandhandel, sie sind aber bis zum Inkrafttreten eines
Schweizer Heilmittelgesetzes nicht zuständig für die
Arzneimitteldistribution. Wie Alfred Jost von der
Interkantonalen Kontrollstelle für Arzneimittel (IKS)
mitteilte, ist mit dem Heilmittelgesetz nicht vor dem
Jahr 2002 zu rechnen. Bis dahin plädiert die IKS für
eine restriktive Haltung der Kantone gegenüber dem
Versandhandel mit Medikamenten. Die aktuelle Rechtslage
gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß Versandapotheken
zulässig seien.
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BfS) betrachtet
den Modellversuch in Solothurn trotz der unklaren
Rechtslage offensichtlich mit Interesse. Zwar betonte
auch Dr. Markus Moser vom BfS, daß die
Arzneimittelsicherheit im Mittelpunkt aller Überlegungen
stehe, blockieren will sein Amt die Mediservice aber
nicht, was auch erst nach dem Inkrafttreten des neuen
Heilmittelgesetzes möglich sein dürfte.
Moser hält es für durchaus sinnvoll, den Direktversand
in einem Modellversuch zu erproben. Die Teilnahme der
Versicherten an dem Projekt müsse aber freiwillig sein.
Es sei denkbar, daß die Distributionsform
kostengünstiger und genauso sicher wie die Abgabe über
die Apotheke sei. Er forderte deshalb eine Evaluation des
Versuches. Moser machte aber auch klar, daß er nichts
von einem Versandhandel halte, der nur finanziell
attraktive Medikamente auf den Postweg bringt.
Versandapotheken seien nur dann sinnvoll, wenn sie die
Kosten insgesamt senken, Rosinenpickerei nütze
niemandem.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Basel
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