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Koalition will alle Sektoren des Gesundheitswesens umkrempeln

18.01.1999  00:00 Uhr

- Politik Govi-Verlag

STRUKTURREFORM

Koalition will alle Sektoren des Gesundheitswesens umkrempeln

von Rainer Vollmer, Bonn

Die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition haben sich auf eine Strukturreform des Gesundheitswesens geeinigt. Wenn diese Vorstellungen bis Ende dieses Jahres in Gesetzesform gegossen worden sind, dann müssen sich vor allem die Leistungserbringer auf massive Veränderungen vorbereiten.

Vorgesehen ist, den Arzneimittelmarkt völlig neu zu ordnen. Ebenso sollen die Krankenkassen das Recht erhalten, mit einzelnen oder Gruppen von Leistungserbringern Verträge abzuschließen (Einkaufsmodell). Gravierende Veränderungen soll es insbesondere in der ambulanten Versorgung geben, die auch für Apotheker von Bedeutung sein werden.

Ohne dies bereits im Detail konkret ausformuliert zu haben, einigten sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen ferner auf folgende Eckpunkte für die große Gesundheitsreform:

  • Neuordnung des Arzneimittelmarktes durch die Einführung einer obligatorischen Positivliste von Medikamenten, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig sind.
  • Stärkung der hausärztlichen Versorgung (Primärarztsystem).
  • Einführung eines Globalbudgets mit jährlicher Fortschreibung - gemessen an der Grundlohnsummenentwicklung oder der des Bruttoinlandprodukts. Ungeklärt ist dabei noch, ob die Aufteilung des Globalbudgets auf die einzelnen Versorgungsbereiche oder -aufgaben durch Verträge zwischen den Organen der Selbstverwaltung oder aber politisch "im Benehmen" mit der Selbstverwaltung erfolgen soll.
  • Stärkung der Patientenrechte und des Patientenschutzes. Die Koalition erwägt, die in verschiedenen Gesetzen geregelten Fragen des Patientenschutzes in einer einzigen Vorschrift zusammenzufassen.

Krankenhäuser sollen Gesundheitszentren werden

Details für den stationären Sektor blieben in der Koalitionsrunde noch außen vor. Zunächst soll geklärt werden, welche Einsparpotentiale in diesem Bereich erreicht werden können, weil die generell angepeilten Verbesserungen zugunsten von chronisch Kranken und Behinderten bei den Krankenkassen zu Mehrausgaben führen werden.

Die bündnisgrünen Gesundheitspolitiker haben sich dafür eingesetzt, den Versorgungsauftrag der Krankenhäuser zu stärken: Die Häuser sollen demnach zu Gesundheitszentren ausgebaut werden.

Die wichtigste Entscheidung der Koalition: Krankenhäuser sind für die ambulante fachärztliche Versorgung zu öffnen. Das könnte ganz entscheidende Auswirkungen haben. Einmal wird der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen in wesentlichen Teilen in Frage gestellt. Zum anderen wird zu klären sein, wieweit der Klinik-Facharzt bei seinen Verordnungen auf die Krankenhausapotheke zurückgreifen kann oder ob weiterhin grundsätzlich das Rezept in einer öffentlichen Apotheke einzulösen ist.

Schließlich soll es eine neue Großgeräteplanung geben. Niedergelassene und Klinikärzte sollen diese Geräte gemeinsam nutzen. Und: Die Investitionskosten für Krankenhäuser sollen bald auch über die Pflegesätze von den Krankenkassen bezahlt werden (monistische Finanzierung). Dazu muß ein Konsens mit den Bundesländern erreicht werden. Immerhin müßten die Länder bereit sein, wesentliche Teile ihrer Planungskompetenz im stationären Sektor an die Krankenkassen abzugeben.

SPD verhandelte zwei Entwürfe in ihrer Klausur

Der Einigung in der Koalitionsrunde war eine Klausurtagung der SPD-Gesundheitspolitiker vorausgegangen. Ihnen lagen zwei Papiere vor, die zum Teil völlig unterschiedliche Reformvorschläge beinhalteten. Einmal hatte Sozialexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender Rudolf Dreßler eine "Liste klärungsbedürftiger Fragen" erstellt. Zum anderen hatten hauptamtliche Mitarbeiter der Fraktion mit Einwilligung der gesundheitspolitischen Sprecherin Gudrun Schaich-Walch "Eckpunkte zur Strukturreform" aufgestellt.

Wichtigste Forderungen in den "Eckpunkten" sind:

  • Lockerung des Kontrahierungszwanges von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Das bedeutet: Kassen erhalten das Recht, Leistungen von einzelnen oder Gruppen von Ärzten einzukaufen (Einkaufsmodell). Dahinter steckt auch die Überlegung, daß Krankenkassen ähnliche Verträge auf dem Arzneimittelmarkt abschließen könnten.
  • Neuordnung des Arzneimittelmarktes bis spätestens 2001.
  • Schaffung einer qualitätsorientierten Arzneimittelversorgung (Dreiteilung des Marktes) mit nachhaltiger Entlastung chronisch Kranker.

Rudolf Dreßler wiederum macht Vorschläge, die verstärkt in die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens eingreifen würden, sollten sie denn verwirklicht werden.

Auch Dreßler will eine Positivliste bei Arzneimitteln. Gleichzeitig schlägt er wiederum die Gründung eines Arzneimittelinstituts vor, das zur Aufstellung und Überwachung der Positivliste eingesetzt werden sollte. Die Liste selbst sollte durch Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Pharmaindustrie ausgefüllt werden. Sollten keine Preisvereinbarungen zustande kommen, müßten die Festbeträge weiter gelten. Für Naturheilmittel soll es bei der bisherigen Regelung im Sozialgesetzbuch bleiben.

Im ambulanten Bereich sollten Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen eine verhältniszahlorientierte Bedarfsplanung betreiben. Das Einkaufsmodell für Kassen sei einzuführen. Auch Dreßler fordert ein Globalbudget. Dieses sollte auf die einzelnen Versorgungsbereiche (also auch auf den Arzneimittelmarkt) im Rahmen von Vertragsgestaltungen durch die Selbstverwaltung aufgeteilt werden. Oder aber die Politik sollte das Globalbudget festlegen.

GKV-Finanzierung soll auf neuer Basis aufbauen

Der Sozialexperte forderte schließlich, die Krankenkassen auf eine erweiterte Finanzierungsbasis zu stellen. Das Arbeitseinkommen dürfe nicht länger alleiniger Maßstab für die Beitragszahlung sein. Zu prüfen sei die Beitragspflichtigkeit anderer Einkommensarten.

Gleichzeitig stellt Dreßler den gesamten derzeitigen Finanzierungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage. So die Höhe der Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze. Außerdem sollte die paritätische Finanzierung der Beiträge aus Arbeitseinkommen überprüft werden (hier kann die Frage nach dem Kapital oder dem Einkommen des Arbeitgebers gestellt werden). Top

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