Politik
Festbeträge:
Zweifel an Verfassungskonformität
Erhebliche Zweifel an
der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von
Arzneimittelfestbeträgen meldet Klaus Ladage, Richter am
Bundessozialgericht und dort Mitglied des für die
gesetzliche Krankenversicherung zuständigen Senats, an.
Selbst wer dem Gesetzgeber bei diesem Instrument einen
"gewissen Beurteilungs- und
Einordnungsspielraum" zubillige, erkenne, daß in
diesem Fall "Rechtssetzung nicht den
verfassungsrechtlichen Vorgaben" entspreche.
Die Bildung der Festbeträge treffe weder einen
bestimmten noch einen nach "allgemeinen
Merkmalen" bestimmbaren Personenkreis. Der Akt gelte
beispielsweise für bereits der gesetzlichen
Krankenversicherung angehörende Bürger ebenso wie für
zukünftig hinzutretende Versicherte. Unter den
Arzneimittelherstellern seien sowohl die Betroffen, die
bereits im Markt vertreten sind, als auch Newcomer. Der
Festbetrag erfasse nicht nur bereits marktfähige
Produkte, sondern auch noch zu entwickelnde Präparate.
Ein weiteres Indiz für die Verfassungswidrigkeit der
Festbeträge sieht Ladage darin, daß normierte
Festbeträge keinen "dinglichen Verwaltungsakt"
darstellen. Hier seien aufgestellte Verkehrszeichen oder
das konkret begrenzte Gebiet einer militärischen
Sicherheitszone typisch. Wer im übrigen behaupte,
Festbeträge seien alleine deshalb konkret, weil sie
bestimmte Preise festsetzten, verwechsele die Begriffe
"konkret" und "genau". Dazu der
Richter am Bundessozialgericht: "Die Festbeträge
sind genau so abstrakt wie eine
Einkommensteuertabelle". Bei letzterer komme niemand
auf die Idee, es handele sich um eine
"Allgemeinverfügung".
Fazit des Juristen: Festbetragslinien sind letztlich
gegriffene Größen, die sich auf jedem beliebigen
Preisniveau durch den Markt ziehen ließen. Gravierende
verfassungsrechtliche Einwände seien deshalb begründet.
Jürgen Becker, Bonn
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