Politik
Das "Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen
Krankenversicherung" (GKV-SolG) wird die Arzneimittelversorgung ab 1.
Januar 1999 verändern. Die rot-grüne Koalition will Patientenzuzahlungen
senken und gleichzeitig die GKV-Arzneiausgaben reduzieren. Einsparungen
bringen sollen unter anderem die Absenkung der Festbeträge. Für die
Vertragsärzte gilt wider ein striktes Verordnungsbudget.
Am vergangenen Montag haben die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen den Gesetzentwurf verabschiedet. Bei Redaktionsschluß dieser PZ lag das
endgültige Ergebnis noch nicht vor. Die Grundlinien dieser ersten
Gesundheitsreform-Stufe - im Jahre 2000 soll eine weitergehende Strukturreform
kommen - aber stehen fest.
Das Solidaritätsstärkungsgesetz macht fast alle Reformen des ersten und zweiten
GKV-Neuordnungsgesetzes (NOG) von 1997 wieder rückgängig. Oberstes Ziel ist
die Stabilisierung der Beitragssätze. Die GKV-Ausgaben werden in allen wichtigen
Leistungsbereichen gesetzlich budgetiert, das heißt begrenzt. Maßstab ist dabei
zumeist die Veränderung der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Das
betrifft neben den Arzneibereich auch Heil- und Hilfsmittel, ambulante Arzt- und
Zahnarzthonorare und den Krankenhaussektor. Außerdem wird der Druck auf die
Preise von Arznei- und Hilfsmitteln sowie zahntechnischen Leistungen und
Krankentransporten verschärft.
Mit der Kostenerstattung in der GKV ist es nach dem Willen der Koalition vorbei.
Das gilt einerseits für Zahnersatz, der generell wieder Sachleistung mit prozentualer
Selbstbeteiligung des Patienten wird. Die Koalition streicht aber auch die
Möglichkeit der Versicherten, sich wahlweise für die Kostenerstattung zu
entscheiden. Ferner werden alle Elemente der privaten Krankenversicherung in der
GKV wieder kassiert: Satzungsbestimmungen der Kassen zum Selbstbehalt werden
Anfang nächsten Jahres ungültig, Bestimmungen über Beitragsrückzahlung und
Zuzahlungen laufen spätestens Ende 1999 aus.
Die GKV-Versicherten können 1998 und 1999 mit einer Entlastung von mindestens
zwei Milliarden DM rechnen:
- Die Arzneizuzahlungen sinken wahrscheinlich um eine auf acht DM (N1), um
zwei auf neun DM (N2) und um drei auf zehn DM (N3). Dafür hat sich die
SPD stark gemacht. Bündnis 90/Die Grünen wollten etwas vorsichtiger
senken. Demnach würde die Selbstbeteiligung für kleine Packungen
unverändert bleiben. Mittlere Schachteln sollten mit zehn DM für Patienten
eine DM billiger und große Packungen mit elf DM zwei DM billiger werden
als heute.
- Die Belastungsgrenze für alle Zuzahlungen wird auf ein Prozent der
Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt halbiert. Chronisch Kranke in
Dauerbehandlung, die ein Jahr lang Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze
aufbringen mußten, werden danach für die weitere Dauer dieser Behandlung
vollständig von Zuzahlungen befreit (bisher galt in diesen Fällen die
Ein-Prozent-Regelung).
- Die Krankenhausnotopfer 1998 und 1999 entfallen,
- Geburtsjahrgänge ab 1979 erhalten wieder Zahnersatzleistungen.
- Außerdem werden alle potentiellen Zuzahlungserhöhungen gestrichen: die
Dynamisierung der Selbstbeteiligung, der Koppelungsmechanismus zu
Beitragssatzsteigerungen sowie die zehn DM Selbstbeteiligung pro Sitzung bei
Psychotherapie. Die beiden zuletzt genannten Elemente sollten ab 1. Januar
1999 gelten
Arzneimittelfestbeträge
Die Arzneimittelfestbeträge sollen abgesenkt werden. Die neue Vorgabe lautet, daß
der Festbetrag im unteren Drittel der Spanne zwischen dem niedrigsten und dem
höchsten Abgabepreis der Vergleichsgruppe liegen muß.
Arznei-, Verband- und Heilmittelbudgets
Es gibt wieder gesetzliche Vorgaben zur Vereinbarung von Ausgabenbudgets für
ärztlich veranlaßte Leistungen. Basis für 1999 sind die Budgets von 1996. Die
seitdem eingeführten Zuzahlungserhöhungen werden davon abgezogen; das
Bundesgesundheitsministerium leitet daraus eine Korrektursatz von 5,5 Prozent ab.
Übersteigen die Ausgaben die vereinbarten Budgets, sind die Kassenärztlichen
Vereinigungen (KVen) den Kassen gegenüber ausgleichspflichtig. Allerdings wird
dieser "Kollektivregreß" auf maximal fünf Prozent des Budgets begrenzt.
Die durch das 2. NOG vorgesehen Ablösung der Budgets durch Richtgrößen wird
rückgängig gemacht. Richtgrößen erhalten wieder ihre Funktion als flankierendes
Steuerungsinstrument: Eine Überschreitung der einheitlichen, arztgruppenspezifischen
Richtgrößen um mehr als 15 Prozent führt zu einer Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser sind folgende Budgetregelungen
vorgesehen:
- Bei ärztlicher Behandlung dürfen die Veränderungsraten 1999 den Anstieg
der beitragspflichtigen Einnahmen der GKV-Mitglieder - getrennt nach alten
und neuen Ländern - nicht überschreiten. Ausgangsbasis ist die um den
Grundlohnanstieg 1998 und einen weiteren Prozentpunkt erhöhte
Gesamtvergütung des Jahres 1997. Die mit dem 2. NOG eingeführten
Regelleistungsvolumina mit vereinbarten Punktwerten werden kassiert. Die
Honorarverteilungsmaßstäbe der KVen haben dabei sicherzustellen, daß die
Gesamtvergütung gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt wird.
- Bei der zahnärztlichen Versorgung werden Gesamtvergütungen -
einschließlich Zahnersatz und kieferorthopädischer Behandlung - vorgegeben,
die sich an dem Ausgabenvolumen des Jahres 1997 orientieren.
Vertragszahnärztliche Leistungen sind künftig wieder nach dem Einheitlichen
Bewertungsmaßstab zu vergüten. Der mit dem 2. NOG abgeschaffte
degressive Punktwert über alle zahnmedizinischen Teilbereiche wird wieder
eingeführt:
- Ab 350.000 Punkten pro Jahr beträgt der Honorarabschlag 20 Prozent, ab
450.000 Punkten 30 Prozent und ab 550.000 Punkten 40 Prozent.
- Die Budgets der einzelnen Krankenhäuser werden auf der Basis der
Vereinbarungen für das Jahr 1998 im Jahr 1999 begrenzt auf den Zuwachs
der beitragspflichtigen Einnahmen. Ausnahmetatbeständen, insbesondere zur
anteiligen Berücksichtigung der Tarifgehälter-Entwicklung sowie zur
Krankenhausplanung der Länder, soll Rechnung getragen werden.
PZ-Artikel von Karl H. Brückner, Bonn
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