Pharmazeutische Zeitung online

CSU und DGB auf Schmusekurs

27.10.2003  00:00 Uhr
Gesundheitsreform

CSU und DGB auf Schmusekurs

von Thomas Bellartz, Berlin

Keine zwei, drei Jahre werde das Reförmchen halten, monierten viele Kritiker nach dem Gesundheitskonsens von Union und Regierung. Das ist keine drei Monate her, die Reform noch nicht einmal in Kraft; und schon wird an der nächsten Reform gearbeitet.

Es kommt, wie mancher es erwartet hatte: Weder Patientinnen und Patienten, noch Krankenkassen oder die Leistungserbringer können sich nach dem Gesundheitskonsens – und hält er auch nur zwei Jahre – entspannt zurücklehnen. Nachdem die Professoren Rürup und Herzog mit ihren Kommissionen den Stein ins Rollen brachten, ist es kaum mehr zu überhören: Aus allen politischen Lagern klingt die Forderung nach einer großen strukturellen Gesundheitsreform. Denn die Krankenkassen wollen ihre Beiträge nur marginal senken – und das hatten sich die Macher der Reform anders vorgestellt.

Dabei hatten sich Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) doch gerade erst geeinigt – und das gegen Widerstand in den eigenen Reihen. Doch die Schlagwörter Bürgerversicherung und Kopfpauschale sind wie eine anregende Injektion Reformphilosophen. Und wer da glaubte, nun sei das Gesundheitswesen erst einmal ausreichend reformiert, der wird eines Besseren belehrt.

Allerorten laden Krankenkassen und Interessensgruppen zu Kongressen und Veranstaltungen, werben Leistungserbringer für eigene Konzepte und Parteien für ihre Szenarien einer gesunden Gesellschaft. Und erklärte die Ministerin beim ersten Zukunftskongress der Techniker-Krankenkasse, dass man mit der Liberalisierung des Arzneimittelhandels nicht abgeschlossen habe. Das passt ins Bild. Denn immer wieder lassen in diesen Tagen Politiker aus den Reihen von SPD und Grünen vernehmen, dass man die begonnene Reform fortsetzen wolle. Und demnächst soll der Wettbewerb das Maß der Dinge sein.

Interessant ist nicht nur die Rolle der Opposition, die nach Gemeinsamkeiten sucht, sondern auch die der Gewerkschaften. Den verdi-Dienstleistern will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in nichts nachstehen und trifft sich nun mit allen politischen Parteien, um auszuloten, was man gemeinsam habe.

Spitzentreffen von CSU und DGB

Und so kam es, wie es kaum jemand hatte kommen gesehen. In einer bisher einmaligen Aktion wollen CSU und DGB ein gemeinsames Konzept für die Gesundheitsreform erarbeiten. CSU-Chef Edmund Stoiber und der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sagten am Montag nach einem ersten Spitzentreffen ihrer Führungsgremien in München, im Interesse der Versicherten müsse mehr Wettbewerb erreicht werden. Auch beim Vorziehen der Steuerreform, der stärkeren Förderung von Familien mit Kindern und dem Nein zur Rente mit 67 hoben beide Seiten Gemeinsamkeiten hervor. CDU-Chefin Angela Merkel hatte bereits zu Jahresbeginn mehrfach mit Sommer gesprochen.

Stoiber erwähnte nach dem rund dreistündigen Treffen von einer Reihe von Gemeinsamkeiten, von denen „man durchaus das ein oder andere stemmen kann“. Sommer sagte, es gebe in vielen Bereichen Schnittmengen, auch wenn immer eine Restmenge bleibe. „Es war nicht der Beginn einer langen schönen Freundschaft, sondern der Beginn einer langen, fairen Diskussion.“

An den vereinbarten Gesprächen über die Gesundheitsreform sollen von CSU-Seite Horst Seehofer, Bayerns Sozialministerin Christa Stewens und Staatskanzleichef Erwin Huber teilnehmen. Sommer sagte, man sei sich einig gewesen, dass der Wettbewerb im Gesundheitswesen gestärkt werden müsse. Es könne nicht immer mehr Geld in das System gesteckt werden, ohne durch strukturelle Reformen zu verhindern, dass dieses Geld als „Selbstbedienungskasse“ genutzt werde.

Das gemeinsame Papier soll laut Stoiber in die bundesweite Diskussion um eine langfristige Gesundheitsreform eingespeist werden. Eine Kopfpauschale in der Krankenversicherung, wie die CDU sie befürwortet, lehnten Stoiber und Sommer übereinstimmend ab. Stoiber sprach sich jedoch auch gegen die von den Gewerkschaften und seinem Partei-Vize Seehofer favorisierte Einführung einer Bürgerversicherung aus. Der DGB will aber nicht locker lassen: Er sehe hier noch Möglichkeiten, Überzeugungsarbeit zu leisten, sagte Sommer.

Stoiber warf den Gewerkschaften erneut vor, den Reformbedarf angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland nicht richtig einzuschätzen. Der DGB-Chef habe in dem Gespräch jedoch von einer „sozioökonomischen Zeitenwende“ gesprochen und damit die Notwendigkeit von Reformen eingeräumt.

Das Treffen in München war auf Initiative des DGB zu Stande gekommen, der von der Politik der rot-grünen Bundesregierung zunehmend enttäuscht ist und derzeit mit allen im Bundestag vertretenen Parteien Gespräche führt. Trotz der unausgeräumten Differenzen beim Tarifrecht sicherte Stoiber zu: „Ich bin bei allen Meinungsverschiedenheiten der Überzeugung, dass unser Land starke Gewerkschaften benötigt.“ Beide Seiten kündigten an, die Gespräche fortzusetzen.

Widerstand gegen Seehofer

Unterdessen regt sich innerhalb der Bundestagsfraktion von CDU und CSU immer breiterer Widerstand gegen die Positionen Seehofers. Denn der bleibt bei seiner Unterstützung der Bürgerversicherung und gilt damit innerhalb der Fraktion als weitgehend isoliert. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn sagte, es gebe „ein isoliertes Mitglied der Fraktion, das für die Bürgerversicherung sei“ – und meinte damit wohl den stellvertretenden Fraktionschef aus Bayern. Unterdessen soll Merkel nach Abschluss ihrer Regionalkonferenzen zu Abstrichen am Herzog-Konzept bereit sein. Top

© 2003 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa