Politik
Die Sommerpause geht zu Ende, die Bundestagswahl steht vor der Tür,
und der Berufsstand muß sich erneut artikulieren - zu seinen Aufgaben, zu
seinen Sorgen, zu seinen Zielen, zu seiner Zukunft. Die PZ fragte nach bei
Hans-Günter Friese, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände, was sich hinter dem gemeinhin als
"Herausforderungen" bezeichneten Veränderungen im einzelnen verbirgt.
PZ: Als oberster Repräsentant des deutschen Apothekerstands haben Sie eine
Reihe von Begriffen neu und erneut in die Diskussion gebracht. Da ist zunächst
die Pharmazeutische Betreuung. Wie werden Sie in diesem Herbst diese
Philosophie weiter im Bewußtsein der Kollegen, der Bevölkerung und der
Politiker implantieren?
Friese: Die Pharmazeutische Betreuung zählt zu den großen Zunkunftsaufgaben des
Berufsstandes. Inzwischen laufen eine ganze Reihe von Pilotstudien und
Modellprojekten unter Verantwortung der ABDA und zahlreichen
Mitgliedsorganisationen. Die ersten Projekte werden gegen Jahresende
abgeschlossen werden, und die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit vorgestellt.
Weiterhin wird vom 20. bis 22. November das 3. ABDA-Symposium zur
Pharmazeutischen Betreuung in Berlin stattfinden. Der Schwerpunkt des
Symposiums wird in der praktischen Seminararbeit liegen. Die Voranmeldungen
lassen wiederum auf eine Rekordteilnahme der Kolleginnen und Kollegen hoffen.
PZ: Ist Pharmazeutische Betreuung die Investition in die Zukunft, die der
Berufsstand tätigen muß?
Friese: Ohne Zweifel, ja! Sie ist eine patientenorientierte pharmazeutische
Dienstleistung, bei der die Apotheker nahezu konkurrenzlos sind.
PZ: Bei verschiedenen Gelegenheiten haben Sie für eine pharmazeutische
Spezialisierung plädiert. Welchen Wert hätte dann die Approbation heute
noch? Berechtigt sie zur Führung einer Apotheke, oder bedarf es künftig einer
Spezialisierung beziehungsweise Weiterbildung, um den Apotheker zum Führen
einer Apotheke zu befähigen und zu berechtigen?
Friese: Die für alle Tätigkeitsfelder unseres Berufsstandes auch zukünftig einheitliche
Approbation bildet das Rückgrat unserer Ausbildung. Ich hoffe, daß der
Gesetzgeber die im letzten Jahr aufgenommene Diskussion entsprechend der
Ergebnisse der Beratungskommission nun auch zügig in eine moderne
Approbationsordnung umsetzen wird.
Die Anforderungen in den einzelnen Tätigkeitsfeldern des Apothekers steigen aber
ständig, so daß eine Spezialisierung nach dem Universitätsstudium dringend
erforderlich ist. Eine abgeschlossene Weiterbildung als Voraussetzung zum Führen
einer Apotheke wird es aber aus rechtlichen Gründen nicht geben können. Es ist
aber für die Zukunft nicht auszuschließen, daß bestimmte Leistungen nur nach
Erwerb einer bestimmten Qualifikation angeboten werden dürfen.
PZ: Zur Zeit werden Qualitätsmanagementsysteme (QMS) kontrovers
diskutiert. Wie stehen Sie zu diesen Systemen? Könnte QMS ein Instrument zur
Existenzsicherung der Apotheke sein?
Friese: Qualitätsmanagementsysteme dienen nicht der Kontrolle von Apotheken
durch irgendwelche Aufsichtsorgane, sondern sie sollen kundenorientiert die
Leistungsfähigkeit der Apotheken verbessern. Unter diesem Aspekt haben sich
diese Systeme in Produktions- und Dienstleistungsbereichen bereits in großem
Umfang etabliert. Auf der Ebene der Freiwilligkeit halte ich QMS für sinnvoll, weil
so organisatorische Abläufe in der Apotheke optimiert werden können, um so Zeit
für den pharmazeutischen Kernbereich "freizuschaufeln", der dann mit Standards
ausgefüllt werden kann.
PZ: Ist für Sie eine Honorierung der pharmazeutischen Leistungen als Folge
der Spezialisierung und des neuen Aufgabenbereichs Pharmazeutische
Betreuung künftig denkbar?
Friese: Eine qualitätsorientierte Pharmazeutische Betreuung wird in größerem
Umfang ohne entsprechende Honorierung nicht möglich sein. Vorher muß aber
zweifelsfrei nachgewiesen werden, daß die Effizienz der Pharmazeutischen
Betreuung einer Honorierung auch gerecht wird; ein hoher Anspruch, den es zu
erfüllen gilt.
PZ: Die Arzneimittelpreisverordnung wird von vielen Seiten torpediert. Welche
Argumente sprechen dafür, weiter an ihr festzuhalten?
Friese: Die Arzneimittelpreisverordnung garantiert den gesundheitspolitisch
gewollten einheitlichen Apothekenabgabepreis und ersetzt gleichzeitig
Preisverhandlungen mit riesigem bürokratischem, kostenträchtigem Aufwand. Wer
etwas anderes will, soll Alternativvorschläge unterbreiten, die vom
Verwaltungsaufwand her einfacher und außerdem noch für den Verbraucher
kostengünstiger sind. Ich sehe, auch wenn ich ins Ausland schaue, solche
Alternativen nicht. Das heißt jedoch nicht, daß die Systematik der
Arzneinmittelpreisverordnung in gewissen Zeitabständen den sich ändernden
Marktstrukturen angepaßt werden muß.
PZ: Bonn hat eine Novellierung der Apothekenbetriebsordnung angestoßen.
Frage: Braucht die Apotheke künftig noch ein Labor, oder reicht es, wenn sich
einzelne Apotheken eben im Zuge der Spezialisierung auf die Prüfung von
Stoffen und Herstellung verlegen?
Friese: Das Apothekenlabor sollte nicht nur traditionell als Ort der Prüfung von
Arzneistoffen und Herstellung von Arzneimitteln gesehen werden. Das Labor bietet
zunehmend auch die Chance für neue Dienstleistungen, wie im Bereich
physiologisch-chemischer Untersuchungen sowie der Umweltanalytik. Auch die
Übernahme von Spezialrezepturen in den ambulanten Bereich wäre heute kaum
möglich, wenn die Laborpflicht vor zehn Jahren aufgegeben worden wäre. Ich sehe
die Nutzungsmöglichkeiten für das Apothekenlabor in der Zukunft eher wachsen.
PZ: Viele Modelle und Projekte mit vernetzten Verorgungsstrukturen
begreifen sich als closed shop und haben Apotheker und damit
pharmazeutischen Sachverstand ausgegrenzt. Ärzte fürchten einen Eingriff in
ihre Therapiehoheit, Krankenkassen rechnen sich immer noch höhere
Einsparungen ohne eine Beteiligung von Apothekern aus. Was werden Sie tun?
Friese: Die Einbindung der Apotheker in vernetzte Strukturen hat der Gesetzgeber
im SGB V zwar nicht vorgeschrieben, er hat die Mitarbeit der Apotheker aber auch
nicht verboten. Es liegt also auch an uns selbst, vor Ort für die Versorgungsnetze
interessante Angebote zu machen. Ich denke hier zum Beispiel an die in diesem Jahr
von den Rechenzentren aufgebauten Möglichkeiten der Arzt- oder auch
netzspezifischen Verordnungsstatistik und -analyse sowie die darauf basierende
therapeutisch-ökonomische Verordnungsberatung. Auch die Pharmazeutische
Betreuung könnte eingebracht werden. Voraussetzung einer Kooperation, die in
ersten Modellen bereits vorbereitet oder gar schon ausprobiert wird, sind jedoch die
Anerkennung der Apotheker als gleichberechtigte Partner und die adäquate
Beteiligung am Erfolg.
PZ: Die Apothekerschaft hat in der vergangenen Jahren in vielen Gesprächen
ihre Positionen beim Bundesgesundheitsministerium und der Bundesregierung
darlegen und begründe können und ist dabei ohne Zweifel auf Verständnis
gestoßen. Wie hat sich die ABDA auf einen möglichen Regierungswechsel
vorbereitet?
Friese: Es ist richtig, die Politik der ABDA in Bonn ist in den letzten Jahre nicht
ohne Erfolg gewesen. Dieser Erfolg beruht auf klaren an der Sache orientierten
Konzepten, die nicht nur bei der Regierungskoalition, sondern auch bei der
Opposition weitgehend auf Akzeptanz gestoßen sind. So werden das Fremd- und
Mehrbesitzverbot, der Versand von Arzneimitteln oder die
Arzneimittelpreisverordnung, also wichtige Kernbereiche der ABDA-Politik, von
der Koalition und auch der Opposition unterstützt. Schaut man sich Schnittmengen
der gesundheitspolitischen Ziele der großen Parteien an, sind diese doch erheblich,
auch wenn die Wege zum Teil deutlich differieren. Wir sollten das Wahlergebnis
abwarten und uns die dann erforderlichen konkreten Vorhaben genau ansehen. Im
übrigen haben wir in der Vergangenheit mit den Gesundheitspolitikern aller
demokratischen Parteien auf der Ebene von Fakten und Zahlen gesprochen und
werden dies auf der Grundlage von sachlichen Argumenten auch zukünftig tun.
PZ: Anfang Oktober tritt in München der 50. Deutsche Apothekertag
zusammen. Welche Impulse erwarten Sie von dem Parlament der Apotheker?
Friese: Der Apothekertag steht unter dem Motto "Apotheke - Mehrwert für die
Patienten". Ich hoffe auf interessante Beiträge und Diskussionen zu diesem Thema.
PZ-Artikel von Gisela Stieve, Eschborn
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de