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Wieviele Völker sind wir?

22.09.1997  00:00 Uhr

- Politik

Govi-Verlag

Wieviele Völker sind wir?
Pharmacon Westerland

Auch sieben Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es noch Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen. Im Vergleich zu den großen Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Staatsverschuldung seien die mit der Einigung verbundenen Schwierigkeiten aber unbedeutend, sagte der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Ost-SPD, Professor Dr. Richard Schröder (SPD), auf der Eröffnungsveranstaltung des 23. BAK-Fortbildungskongresses am 15. September in Westerland.

Im Ausland werde die deutsche Einigung als störungsfrei vollendet angesehen. Im Prinzip teilt Schröder diese Einschätzung. In Deutschland gebe es nur eine verschwindend kleine Minderheit, die gegen die Wiedervereinigung sei, selbst in der PDS befürworte kaum jemand ernsthaft eine erneute Trennung. Daß dies nicht selbstverständlich ist, zeige ein Blick herüber zu unseren europäischen Nachbarn. Schröder: "Die Deutschen haben sich nach dem Ende des Sozialismus wiedervereinigt, die Tschechen und Slowaken haben sich getrennt."

Nach Vereinigungsrausch kam die DDR-Nostalgie

Trotz der generellen Übereinstimmung gebe es offensichtliche Spannungen zwischen den EX-DDRlern und EX-BRDlern. Ein wesentlicher Grund für den Ärger von Ostdeutschen über die Westler seien die hohen Erwartungen, die an die Wiedervereinigung geknüpft wurden. Nach dem Fall der Mauer hätten viele Menschen in der damaligen DDR erwartet, alles werde in kurzer Zeit besser. Westdeutsche Politiker haben sie in ihrem Glauben auch bestärkt. Jetzt mache sich Entäuschung darüber breit, daß der Aufschwung auf sich warten lasse. Das Resultat sei eine sich ausbreitende DDR-Nostalgie, in der vieles aus der DDR-Zeit verklärt werde. Menschen, die früher das SED-System abgelehnt hätten, suchten jetzt nach den Vorzügen der DDR.

Schuld an der wirtschaftlichen Misere im Osten sei aber weder die Wiedervereinigung im allgemeinen noch die vermeintlich schlechte Arbeit der Treuhand, führte Schröder weiter aus. Die DDR sei bereits 1989 wirtschaftlich am Ende gewesen. So gehe aus einem Gutachten, daß im Auftrag der DDR-Regierung im Oktober 1989 erstellt wurde, hervor, daß die Staatsverschuldung katastrophal hoch sei und die Produktivität der DDR-Wirtschaft nur 30 Prozent des Westniveaus erreiche.

Keine Siegerjustiz

Auch der Vorwurf, daß die Westdeutschen in den Prozessen gegen SED-Funktionäre und Mauerschützen Siegerjustiz ausüben sei unberechtigt. Bereits 1989 habe die DDR selbst begonnen, DDR-Spitzenfunktionäre zu verhaften. Da die Volkskammer Bedenken hatte, die Prozesse von DDR-Richtern leiten zu lassen, habe sie beschlossen, die Verfahren auf die Zeit nach der Wiedervereinigung zu verschieben und die Angeklagten dann einer gesamtdeutschen Justiz zu übergeben. Die Kritik einiger Verurteilter an der Justiz sei reine Stimmungsmache. Schröder: "Egon Krenz will nicht wahrhaben, daß ihn das Volk der DDR abgesetzt hat."

Erschwert werde das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland auch durch die unterschiedlichen Lebenserfahrungen in den beiden Systemen, sagte Schröder. Die Menschen in der DDR hätten sich um der permanenten staatlichen Indoktrinierung zu entgehen, stärker in ihr Privatleben zurückgezogen als die Westdeutschen. Nur in einem ausgewählten Freundeskreis sei es möglich gewesen, seine eigene Meinung offen zu vertreten. Aus diesem Grund hatten private Beziehungen in der DDR wohl einen wesentlich höheren Stellenwert als in der Bundesrepublik. Ostdeutsche beklagten deshalb, die Westdeutschen seien gefühlskalt. Die Situation nach der Wiedervereinigung beschreibe ein Witz am treffendsten: Ein Ostdeutscher und ein Westdeutscher treffen sich zufällig. Der Ostdeutsche beginnt ein Gespräch mit dem Satz "Wir sind ein Volk". "Wir auch", entgegnet der Westdeutsche.

Um die noch bestehenden Ressentiments zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen weiter abzubauen, sei es jetzt entscheidend, die Geschichte der beiden deutschen Staaten zusammenzuführen und so das Verständnis für das Verhalten der jeweils neuen Mitbürger zu stärken.

Wenig Verständnis bringt Schröder für die Klagen der Westdeutschen auf, die Wiedervereinigung sei viel zu teuer. Im Prinzip seien die jetzt anfallenden Kosten jedoch keine Wiedervereinigungskosten, sondern verspätete Kriegsschulden. Den Krieg haben beide Teile gemeinsam verloren, deshalb treffe auch nicht eine Seite größere Schuld an den jetzt entstandenen Kosten.

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Westerland Top

 

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