Politik
Eine Breitseite auf die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ist von
verschiedenen Seiten in Düsseldorf auf einer Euroforum-Veranstaltung zum
gleichlautenden Thema abgefeuert worden. Ökonomen und Industrielle
waren sich darin einig: Die 20 Jahre alte AMPreisV ist dringend
reformbedürftig. Das Bundeswirtschaftsministerium, Ärzte und
Apothekerschaft bekennen sich zum bestehenden Preisbildungssystem als
wesentlichem Merkmal des freien Heilberufs ohne marktwirtschaftliche
Konkurrenzmomente.
Professor Dr. Eberhard Wille vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der
Universität Mannheim konnte nicht verstehen, warum viele Apotheker am
bestehenden System festhalten wollen, obwohl die wirtschaftlichen Perspektiven
nicht rosig seien. Ein "leichter Konzentrationsprozeß" wäre gut für die Apotheken,
die übrig blieben. Dabei verwies er auf die Tatsache, daß gemäß der statistischen
Angaben der ABDA die "typische Apotheke" mit ihrem Umsatz noch hinter der
deutschen Durchschnittsapotheke liege. Es gebe keine Gründe für eine Preisbindung
der zweiten Hand, wie sie nur noch im Buchhandel und bei den Apotheken existiere.
Die Preisbindung werde im OTC-Bereich demnächst zumindest
begründungsbedürftig sein. Bei hochwirksamen Arzneimitteln dagegen könne den
Patienten ein Preisvergleich nicht zugemutet werden, befand Wille.
Die AMPreisV muß modifiziert, nicht revolutioniert werden, erklärte auch Erich
Dambacher, Leiter Marketingservice und Dienstleistungen bei Hoechst Marion
Roussel. Die Industrie sei allerdings schon über die Phase des Nachdenkens hinaus.
Rationalisierungspotentiale in den Vertriebswegen müßten ausgeschöpft,
Handelsstufenaufschläge für hochpreisige Arzneimittel gesenkt und von der Industrie
gewährte Rabatte für die Apotheker dann an die Kostenträger weitergegeben
werden. Dambacher bezeichnete die AMPreisV als "aktive Mittelstandspolitik" der
Bundesregierung. Die baldige Änderung der Verordnung bei teuren Präparaten ohne
Kompensation sei die strategische Antwort zur Vermeidung von Versandapotheken
und die Absicherung der klassischen Vertriebswege. Je später die Änderung
komme, desto schmerzhafter werde sie, so Dambacher.
Der Bundeswirtschaftsminister stehe zu der Verordnung, versicherte Ministerialrat
Dr. Peter Klocker. Allenfalls sei eine Modifikation denkbar, indem zum Beispiel die
OTC-Arzneimittel aus dem System herausgenommen würden.
Freie Marktwirtschaft mit freier Preisgestaltung forderte die Limburger Apothekerin
Dr. Angelika Bleistein. Sie verstehe nicht, warum die Diskussion einer
Liberalisierung der AMPreisV Existenzängste bei den Apothekern schüre. Das
antiquierte Standesrecht lege dem Berufsstand nur Fesseln an.
Dem widersprach Professor Dr. Rainer Braun, Geschäftsführer Pharmazie der
ABDA, mit aller Entschiedenheit. Bleistein argumentiere mit dem Wohl des
Patienten, meine aber ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen
Apotheken. Hier stehe die Kaufmannstätigkeit im Vordergrund, nicht die Motivation
und Einstellung eines freien Heilberufs. Dem Pharmazeuten als Heilberufler blieben
alle Möglichkeiten zur Dienstleistung, ohne gegen die AMPreisV zu verstoßen. Nur
dem Kaufmann müßten alle Wettbewerbsinstrumente zur Verfügung stehen, um sich
auf dem Markt durchzusetzen. Freie Marktwirtschaft sei im Interesse der Patienten
und der Arzneimittelsicherheit abzulehnen.
Bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen sind die Spannen auf absehbare Zeit
kein Thema", versicherte der Vorstandsvorsitzende des BKK-Bundesverbandes,
Wolfgang Schmeinck. Die Kassen interessierten sich nur für die
Apothekenendpreise. Einer Kompensation im niedrigpreisigen Bereich würden die
Kassen in keinem Falle zustimmen, stellte Schmeinck klar. Es sei auch wenig
erfolgversprechend, die Diskussion um die Kappung in eine Diskussion um Rabatte
umdeuten zu wollen. Am Kassenrabatt "würden wir uns höchst ungern herumfingern
lassen".
PZ-Artikel von Gisela Stieve, Düsseldorf
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