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Bericht der OECD stellt bewährtes System inFrage

25.08.1997  00:00 Uhr

- Politik

Govi-Verlag

Bericht der OECD stellt bewährtes System in Frage

Als "Kampfansage an die Apotheker" werten gesundheitspolitische Beobachter die jüngsten Forderungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In ihrem "Deutschlandbericht 1997" verlangen die OECD-Experten, Apothekenketten in der Bundesrepublik zuzulassen. Die Arzneimittelpreise in Deutschland seien im internationalen Vergleich immer noch überdurchschnittlich hoch. Einen der Gründe hierfür stelle offenkundig die "Einzelhandelsstruktur des Marktes" dar.

Im Gegensatz zu Apothekenketten könne eine Vielzahl einzelner Apotheken keine Marktmacht gegenüber den Herstellern von Arzneimitteln entwickeln, also nicht die Einkaufspreise drücken. Preissenkend würde sich nach Ansicht der OECD-Fachleute auch eine aktive Förderung von Arzneimittel-Parallelimporten auswirken: Sie lägen im Schnitt um zehn Prozent unter dem Herstellerabgabepreis. Gesundheitspolitiker der Bonner Regierung haben den OECD-Vorschlägen mittlerweile eine Absage erteilt.

Es ist schon fast ein Ritual. Alljährlich legt die OECD ihren Deutschlandbericht vor, diesmal mitten im Bonner Sommerloch. Darin nehmen die Experten der in Paris beheimateten Organisation - ihr gehören 29 Länder an - stets die aktuelle konjunkturelle Lage und die wirtschaftspolitschen Aussichten hierzulande unter die Lupe. Ganz so, wie sie es mit den übrigen 28 Mitgliedsländern der OECD in jedem Jahr ebenfalls zu tun pflegen.

Angesichts verstärkter Bemühungen der Bonner Koalition, die Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung in den Griff zu bekommen, haben sich die Ökonomen der OECD in diesem Jahr das bundesdeutsche Gesundheitswesen als Schwerpunktthema auserkoren. Die Analysen und die Schlußfolgerungen der Pariser Experten lassen an radikaler Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
  • Der Gesetzgeber müsse wieder Anreize für die Abgabe von Parallelimporten schaffen, um den Preiswettbewerb auf dem hiesigen Pharmamarkt anzuheizen. Im vergangenen Jahr habe sich der Anteil der Parallelimporte auf 1,5 Prozent des Arzneimittelumsatzes der Apotheken summiert; rund 1,7 Prozent der Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente seien auf Parallelimporte entfallen. Allerdings räumen die OECD-Experten ein, daß trotz der Streichung der Importförderklausel aus dem SGB V Ende letzten Jahres die Parallelimporte weiter an Bedeutung gewonnen haben.
  • Apothekenketten zögen Preissenkungen nach sich. Sollten Ketten gesetzlich ermöglicht werden, müsse gleichwohl „an der Schlüsselrolle des qualifizierten Apothekers festgehalten werden".
  • Auch mit der Arzneimittelpreisverordnung scheint sich die OECD nicht anfreunden zu können: Die Einheitspreisregelung für ganz Deutschland müsse gelockert werden.

Immerhin machen die OECD-Experten auch deutlich, daß sich auf dem Markt der öffentlichen Apotheken seit mehreren Jahren ein "gewisser Wandel" anbahnt. Die Apothekerschaft insgesamt habe seit 1993 starke Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Die Möglichkeiten für Pharmazeuten, auf diese für sie negative Entwicklung reagieren zu können, seien jedoch begrenzt.

Als Indiz für eine sich abzeichnende Umstrukturierung wertet die OECD die Tatsache, daß die Zahl der öffentlichen Apotheken in den alten Bundesländern seit 1985 nur um drei Prozent zugenommen habe. Gleichzeitig sei jedoch die Zahl der approbierten Pharmazeuten um 37,5 Prozent gestiegen.

Pharmamarkt wurde ebenfalls analysiert


In ihrer Analyse setzt sich die OECD nicht nur mit den Apotheken auseinander, sondern auch mit dem Pharmamarkt und dem ärztlichen Verordnungsverhalten insgesamt. So sei die Zahl der Arzneimittelverschreibungen pro Kopf der Bevölkerung nach wie vor höher als in zahlreichen anderen OECD-Mitgliedsländern. Die 1989 eingeführten Festbeträge für Medikamente hätten zwar im europäischen Vergleich zu einem Rückgang der Arzneimittelpreise geführt. Doch habe die Einführung der Festbeträge auch einen unverhältnismäßig starken Preisanstieg bei Präparaten außerhalb des Festbetragsmarktes nach sich gezogen. Gleichzeitig tendierten die niedergelassenen Mediziner weiterhin dazu, größere Arzneimittelpackungen als notwendig zu verschreiben.

Die OECD schlägt deshalb vor, ein »neues Diagnosesystem für Ärzte« einzuführen, das "die Verschreibung der jeweils effizientesten Medikamente gewährleistet". Dadurch könnten die Verordnungspraktiken der niedergelassenen Mediziner laufend beobachtet werden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ulf Fink hat inzwischen deutlich gemacht, daß er von Apothekenketten wenig hält. Er stehe derartigen Gebilden »sehr skeptisch gegenüber«, erklärte der Gesundheitspolitiker und ehemalige Berliner Sozialsenator. Würde der Gesetzgeber Apothekenketten zulassen, drohe im Arzneimittelbereich eine ähnliche Entwicklung wie im Einzelhandel: Verlagerung von Standorten auf die "grüne Wiese", und eine Gefährdung der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung. Im übrigen handele es sich bei OECD- Berichten häufig um "Ratschläge von Leuten, die nicht sehr tief im System drin sind."

PZ-Artikel von Hans-Bernhard Henkel, Bonn

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