Politik
Der Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen hat erstmals nach der
Gesundheitsreform eine für Patienten und Leistungserbringer im
Gesundheitswesen bindende Entscheidung getroffen - wenn der
Bundesgesundheitsminister zustimmt: Alle Arzneimittel zur Behebung der
erektilen Dysfunktion dürfen von den Krankenkassen nicht erstattet
werden. Außerdem: Die Anhörungsfrist über die neuen erweiterten
Arzneimittel-Richtlinien läuft bis zum 14. August. Dann werden weitere
Arzneien nicht mehr auf Kosten der Krankenkassen verordnet werden
dürfen.
Bisherige Angriffe gegen den Entwurf der Arzneimittel-Richtlinien, die vor allem von
den Verbänden der Pharmaunternehmen geführt wurden, hat der Bundesausschuß
massiv zurückgewiesen. In einer öffentlichen Erklärung betonte
Ausschußvorsitzender Staatssekretär a. D. Karl Jung,nur das
Wirtschaftlichkeitsgebot sei noch mehr als bisher konkretisiert worden. Eine
wirtschaftliche Verordnungsanleitung aber führe automatisch zu
Verordnungseinschränkungen.
Ausgeschlossen würden lediglich Arzneimittel, bei denen entsprechend dem Gebot
der Wirtschaftlichkeit ein vergleichbarer Behandlungserfolg auch durch andere
Maßnahmen erreicht wurde. Ebenfalls sei zu prüfen, ob die Arzneiverordnung dem
Erfordernis der Wirksamkeit und Qualität entspreche.
Jung: "Solche Abwägungen waren zu treffen bei Venentherapeutika zur topischen
und systemischen Anwendung, bei festen Kombinationen von Rheumamitteln und
entzündungshemmenden Stoffen. Dies gilt für Rheumamittel zur äußeren Anwendung
und für Mittel zur Behandlung von Sportverletzungen. Gleiche Überlegungen sind bei
Antidementiva (Nootropika) zu treffen." Immerhin: Bei den letzteren muß ein
erfolgsdokumentierter Therapieversuch von 12 Wochen eine weitere Behandlung
begründen. Unter den Ausschluß fallen topische Antihistaminika und andere
Wirkstoffe.
Das seien keine weiteren Verordnungsausschlüsse und -einschränkungen, sondern
Konkretisierungen, so der Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen. Der Arzt
erhalte lediglich ein neues und übersichtliches Instrument für seine Verordnungen.
Wegen der wahrscheinlich schon im September vorliegenden europäischen
Zulassung von Viagra hat der Bundesausschuß bereits jetzt einen Beschluß gefaßt.
Danach sind alle Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und Mittel,
die der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienen, nicht zu Lasten der
gesetzlichen Krankenkassen zu verordnen. Das gilt auch für Mittel, die bisher schon
verordnet wurden. Die Wirksamkeit des Mittels Viagra wird zwar als gegeben
vorausgesetzt. Aber: "Nach der Definition des Krankheitsbegriffes setzt eine den
Versicherungsfall auslösende Krankheit unter anderem einen regelwidrigen Körper-
und Geisteszustand voraus, der behandlungsbedürftig ist."
Bei erektiler Dysfunktion handelt es sich aber lediglich um ein Symptom, dessen
vielfältige Ursachen sowohl im psychischen als auch im organischen Bereich liegen
und Begleit- oder Folgeerscheinung einer Krankheit, aber auch des natürlichen
Alterns sein kann. Ebenso kann sie, als Nebenwirkung von Medikamenten
auftreten." Das Wirtschaftlichkeitsgebot lasse sich dabei nicht sachgerecht
handhaben. Die erektile Dysfunktion werde von den Betroffenen subjektiv sehr
unterschiedlich bewertet. Hier trete der private Lebensbereich prägend in den
Vordergrund.
PZ-Artikel von Rainer Vollmer, Bonn
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