Politik
Für eine grundlegende Reform des deutschen Gesundheitswesens
plädiert die Monopolkommission in ihrem zwölften Hauptgutachten, das jetzt
in Bonn veröffentlicht worden ist. Demnach sollten bei allen
Gesundheitsleistungen prozentuale Zuzahlungen eingeführt werden.
Spezielle Vorschläge für den Arzneimittelmarkt enthält der Report mit dem
Titel "Marktöffnung umfassend verwirklichen" nicht. Die Ökonomen
sprechen sich jedoch dafür aus, den Krankenversicherungen umfassende
Vertragsfreiheit gegenüber Leistungserbringern einzuräumen. Ob das auch
gegenüber den Herstellern von Arzneimitteln und die Apotheker gelten soll,
läßt das fünfköpfige Gremium offen.
Das deutsche Gesundheitswesen ist einer marktwirtschaftlichen Allokation und
Verteilung größtenteils entzogen, stellt die Monopolkommission in ihrem Gutachten
fest. "Daraus resultieren vielfältige Steuerungsmängel die individuelle Rationalität zu
kollektiver Irrationalität werden lassen. Die gegebenen Arzneistrukturen verleiten
sowohl die Versicherten wie auch die Anbieter zu Leistungsausweitungen."
Wettbewerb auf allen Ebenen
Um diese Defizite abzustellen und die Effizienz des Systems zu steigern, empfehlen
die Ökonomen eine grundlegende, marktwirtschaftliche Reform. In einem Satz
zusammengefaßt läuft die Therapie darauf hinaus, auf allen Ebenen des
Gesundheitswesens die Voraussetzungen für echten Wettbewerb zu schaffen.
Bemerkenswert ist, daß die Rezepte der Monopolkommission quer zu
parteipolitischen Vorstellungen liegen. So führt die Betonung des liberalen Prinzips,
den Wettbewerb zu stärken, in der Konsequenz auch zu einem Plädoyer für das
"sozialdemokratische" Einkaufsmodell.
Mit den Reformen seit dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 sei bereits eine
begrüßenswerte Wende in der Gesundheitspolitik eingeleitet worden, stellt die
Monopolkommission fest. Damit die Wahlfreiheit der Versicherten aber auch zu
einem intensiven Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungen führt, müßten
diese die Möglichkeit haben, mit Leistungen um die Versicherten zu werben, heißt es
einschränkend. Deshalb soll ein "Regelversorgungskatalog" definiert werden, auf den
sich die Versicherungspflicht bezieht. Darüber hinausgehende Leistungen könnten die
Krankenkassen den Versicherten optional anbieten. Die Prämienkalkulation für
diese Wahlleistungen soll risikoäquivalent wie in der privaten Krankenversicherung
erfolgen.
Die Leistungen des Pflichtkatalogs würden dagegen nach Vorstellung der
Kommission über eine steuerfreie Kopfpauschale versichert werden, die vom
Arbeitsverhältnis und der Entlohnung abgekoppelt wird. Empfehlenswert sei die
Auszahlung des heutigen Arbeitgeberanteils, seine Höhe könnten die Tarifparteien
aushandeln. Außerdem sollen die Krankenversicherer individuelle
Alterungsrückstellungen bilden, die Versicherte bei einem Kassenwechsel mitnehmen
könnten.
Die Monopolkommission plädiert für eine einheitliche, prozentuale Zuzahlung der
Versicherten bei allen in Anspruch genommenen Leistungen. Dabei sollte eine
maximale Zuzahlungssumme nach Leistungsfähigkeit festgelegt werden -
beispielsweise als Prozentsatz vom Haushaltsjahreseinkommen.
Das Krankenversicherungssystem der Zukunft muß nach Auffassung der
Monopolkommission ferner von allen Umverteilungselementen befreit werden.
Sozialpolitische Zielsetzungen wie der Familienlastenausgleich seien Sache des
Staates, der diese Aufgabe über steuerfinanzierte Transferzahlungen wahrzunehmen
hätte. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verlieren im Krankenversicherungsmodell
der Monopolkommission ihren Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung.
Demnach wäre es Sache der Kassen, für die Versicherten "Gesundheitsleistungen in
hinreichendem Umfang" bereitzustellen.
Wie das geschehen soll, liegt für die konsequenten Marktwirtschaftler auf der Hand:
durch freie Verträge der im Wettbewerb stehenden Versicherungen mit den
Leistungserbringern. "Dabei sollte es möglich sein, sowohl Verträge mit einzelnen
Versicherungen als auch mit Gruppen abzuschließen". Die Kassen müßten auf Form
und Finanzierung der Leistungserbringung direkt Einfluß nehmen, um überhaupt
unterschiedliche Alternativen offerieren zu können, gibt die Kommission zu
bedenken.
Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Expertengremium beim
Bundeswirtschaftsministerium und legt alle zwei Jahre einen Bericht vor.
PZ-Artikel von Karl H. Brückner, Bonn
© 1997 GOVI-Verlag
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