Politik
Von Einigkeit zu
sprechen, wäre verfrüht. Doch langsam kommen sich
Kassen und Ärzte in ihren Vorstellungen zu Richtgrößen
näher. Uneins sind sich die Parteien, ob Richtgrößen
das Budget begleiten oder ersetzen. Dabei ist die
Situation juristisch eindeutig: Laut Gesetz sollen
Richtgrößen das Budget ablösen.
Obwohl auch die Krankenkassen mit dem Ende des Budgets
rechnen, werben sie weiterhin für budgetbegleitende
Richtgrößen. Dagegen sieht der
KBV-Hauptgeschäftsführer Dr. Rainer Hess auf lange
Sicht keine Alternative zu "Richtgrößen pur".
Der Gesetzgeber habe ausdrücklich budgetablösende
Richtgrößen beschlossen, sagte Hess auf einer
Veranstaltung des Bundesfachverbandes der
Arzneimittelhersteller (BAH) in Bonn.
Allerdings, so räumte Hess ein, sei in den neuen
Bundesländern eine Übergangsfrist denkbar, in der die
Richtgrößen von einem Budget begleitet werden. Dadurch
könnten die Budgetüberschreitungen der vergangenen
Jahre kompensiert werden und die ostdeutschen Ärzte von
existenzbedrohenden Regressen verschont bleiben.
Offensichtlich wird die Position der Bundesvereinigung
nicht von allen Länder-KVen geteilt. Regionen, die keine
Probleme hatten, das Budget einzuhalten (Hessen und
Westfalen-Lippe), seien durchaus bereit, mit den
Krankenkassen budgetbegleitende Richtgrößen zu
vereinbaren.
Der KBV-Hauptgeschäftsführer hält allerdings eine
bundeseinheitliche Regelung mit einem Korridor für jede
KV für unbedingt notwendig. Die KBV hat deshalb zusammen
mit den Krankenkassen für die Landesebene eine
Bundesempfehlung zur Festlegung der Richtgrößen
erstellt, über die nach der Sommerpause entschieden
werden soll. Diese Empfehlung sehe budgetablösende
Richtgrößen vor.
Die Krankenkassen glauben dagegen, mit budgetbegleitenden
Richtgrößen "Prüforgien zu verhindern".
Solange das Budget eingehalten werde, könne auf
Wirtschaftlichkeitsprüfungen vollständig verzichtet
werden, erläuterte Dr. Werner Gerdelmann, Verband der
Angestellten-Krankenkassen. "Bei Budgeteinhaltung
gibt es auch keinen Regreß."
Einig waren sich Hess und Gerdelmann, daß im nächsten
Jahr Richtgrößen auf der Basis durchschnittlicher
Fallkosten vereinbart werden könnten. Auf der Grundlage
der Zahlen von 1996 würden die durchschnittlichen
Behandlungskosten für einen Patienten berechnet,
multipliziert mit der Patientenanzahl ergäbe sich so ein
Praxisbudget. Praxisbesonderheiten könnten dabei wohl
nicht berücksichtigt werden, sagte Hess.
Braun: Richtgrößen müssen praktikabel sein
Vor zu komplizierten Richtgrößen warnte Professor Dr.
Rainer Braun, ABDA-Geschäftsführer Pharmazie.
Detaillierte Richtgrößen, in denen alle sozialen und
regionalen Besonderheiten einer Arztpraxis
berücksichtigt würden, seien "sauber, aber
praktisch kaum umzusetzen".
Er erneuerte das Angebot der Apotheker, gemeinsam mit den
Ärzten ein effektives Richtgrößen- oder
Budgetmanagement zu etablieren. Anhand der Daten der
Apothekenrechenzentren könnten fachgruppenspezifische
Orientierungsgrößen erarbeitet werden und so das
individuelle Verordnungsverhalten eines jeden Arztes
analysiert und gesteuert werden. Dadurch seien
Budgetüberschreitungen zu verhindern. In Sachsen-Anhalt
und Niedersachsen stehen Ärzte und Apotheker bereits im
Dialog über eine Kooperation (Siehe auch PZ 27/97, Seite
24).
Grundsätzlich begrüßt wird die Einführung von
Richtgrößen auch vom BAH, da die kollektive
Regreßandrohung für Ärzte wegfalle. Nils Schmidt,
stellvertretender Verbands-Vorsitzender, warnte
Krankenkassen und Ärzte allerdings davor, indikations-
und stoffgruppenbezogene Richtgrößen anzustreben. Der
Gesetzgeber habe dies ausdrücklich ausgeschlossen, weil
dadurch Wettbewerbsverzerrungen drohten. Der BAH werde
gegen solche Bestrebungen konsequent vorgehen.
Kassenspezifische Zuzahlung wird verschoben
In diesem Jahr müssen Krankenkassen, die ihre
Beitragssätze anheben, noch nicht parallel ihre
Zuzahlungen erhöhen. Bislang galt der 1. September als
Starttermin. Grund dafür, daß diese Regelung vorerst
auf Eis gelegt wurde, sind Schwierigkeiten bei der
zeitnahen Berechnung des Risikostrukturausgleiches (RSA).
RSA-bedingte Beitragssatzerhöhungen führen nicht
automatisch zu einer Erhöhung der Zuzahlung. Zu welchem
Anteil eine Erhöhung auf den RSA zurückgeführt werden
muß, steht jedoch erst am Jahresende fest, da die
Aufsichtsbehörde erst dann über exakte Daten zur
Berechnung des RSA verfügt.
Dr. Dieter Thomae (FDP), Vorsitzender des
Gesundheitsausschusses, nannte den Herbst 1998 als
voraussichtlichen Starttermin für die kassenspezifische
Zuzahlung. Er plädierte dafür, daß
beitragssatzbedingte Zuzahlungserhöhungen in Zukunft
grundsätzlich erst zum Jahres- oder Halbjahresende
wirksam werden sollten. Eine endgültige Entscheidung
stehe aber noch aus.
Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßen diese
Entscheidung. Nach Einschätzung von Gerdelmann hätte
ansonsten ein Zuzahlungschaos gedroht. Wenn sich am Ende
eines Jahres herausstelle, daß die Erhöhung des
Beitragssatzes einer Kasse ausschließlich oder teilweise
durch den RSA begründet ist, die Zuzahlung aber bereits
erhöht worden sei, stünden die Kassen vor dem Problem,
zuviel gezahlte Beiträge an die Versicherten
zurückzuvergüten. Dies hätte einen immensen
Verwaltungsaufwand bedeutet.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Bonn
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de