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Langsam lichtet sich der Nebel um Richtgrößen

21.07.1997  00:00 Uhr

- Politik

  Govi-Verlag

Langsam lichtet sich der Nebel um Richtgrößen

    Von Einigkeit zu sprechen, wäre verfrüht. Doch langsam kommen sich Kassen und Ärzte in ihren Vorstellungen zu Richtgrößen näher. Uneins sind sich die Parteien, ob Richtgrößen das Budget begleiten oder ersetzen. Dabei ist die Situation juristisch eindeutig: Laut Gesetz sollen Richtgrößen das Budget ablösen.

Obwohl auch die Krankenkassen mit dem Ende des Budgets rechnen, werben sie weiterhin für budgetbegleitende Richtgrößen. Dagegen sieht der KBV-Hauptgeschäftsführer Dr. Rainer Hess auf lange Sicht keine Alternative zu "Richtgrößen pur". Der Gesetzgeber habe ausdrücklich budgetablösende Richtgrößen beschlossen, sagte Hess auf einer Veranstaltung des Bundesfachverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) in Bonn.

Allerdings, so räumte Hess ein, sei in den neuen Bundesländern eine Übergangsfrist denkbar, in der die Richtgrößen von einem Budget begleitet werden. Dadurch könnten die Budgetüberschreitungen der vergangenen Jahre kompensiert werden und die ostdeutschen Ärzte von existenzbedrohenden Regressen verschont bleiben.

Offensichtlich wird die Position der Bundesvereinigung nicht von allen Länder-KVen geteilt. Regionen, die keine Probleme hatten, das Budget einzuhalten (Hessen und Westfalen-Lippe), seien durchaus bereit, mit den Krankenkassen budgetbegleitende Richtgrößen zu vereinbaren.

Der KBV-Hauptgeschäftsführer hält allerdings eine bundeseinheitliche Regelung mit einem Korridor für jede KV für unbedingt notwendig. Die KBV hat deshalb zusammen mit den Krankenkassen für die Landesebene eine Bundesempfehlung zur Festlegung der Richtgrößen erstellt, über die nach der Sommerpause entschieden werden soll. Diese Empfehlung sehe budgetablösende Richtgrößen vor.

Die Krankenkassen glauben dagegen, mit budgetbegleitenden Richtgrößen "Prüforgien zu verhindern". Solange das Budget eingehalten werde, könne auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen vollständig verzichtet werden, erläuterte Dr. Werner Gerdelmann, Verband der Angestellten-Krankenkassen. "Bei Budgeteinhaltung gibt es auch keinen Regreß."

Einig waren sich Hess und Gerdelmann, daß im nächsten Jahr Richtgrößen auf der Basis durchschnittlicher Fallkosten vereinbart werden könnten. Auf der Grundlage der Zahlen von 1996 würden die durchschnittlichen Behandlungskosten für einen Patienten berechnet, multipliziert mit der Patientenanzahl ergäbe sich so ein Praxisbudget. Praxisbesonderheiten könnten dabei wohl nicht berücksichtigt werden, sagte Hess.

Braun: Richtgrößen müssen praktikabel sein

Vor zu komplizierten Richtgrößen warnte Professor Dr. Rainer Braun, ABDA-Geschäftsführer Pharmazie. Detaillierte Richtgrößen, in denen alle sozialen und regionalen Besonderheiten einer Arztpraxis berücksichtigt würden, seien "sauber, aber praktisch kaum umzusetzen".

Er erneuerte das Angebot der Apotheker, gemeinsam mit den Ärzten ein effektives Richtgrößen- oder Budgetmanagement zu etablieren. Anhand der Daten der Apothekenrechenzentren könnten fachgruppenspezifische Orientierungsgrößen erarbeitet werden und so das individuelle Verordnungsverhalten eines jeden Arztes analysiert und gesteuert werden. Dadurch seien Budgetüberschreitungen zu verhindern. In Sachsen-Anhalt und Niedersachsen stehen Ärzte und Apotheker bereits im Dialog über eine Kooperation (Siehe auch PZ 27/97, Seite 24).

Grundsätzlich begrüßt wird die Einführung von Richtgrößen auch vom BAH, da die kollektive Regreßandrohung für Ärzte wegfalle. Nils Schmidt, stellvertretender Verbands-Vorsitzender, warnte Krankenkassen und Ärzte allerdings davor, indikations- und stoffgruppenbezogene Richtgrößen anzustreben. Der Gesetzgeber habe dies ausdrücklich ausgeschlossen, weil dadurch Wettbewerbsverzerrungen drohten. Der BAH werde gegen solche Bestrebungen konsequent vorgehen.

Kassenspezifische Zuzahlung wird verschoben

In diesem Jahr müssen Krankenkassen, die ihre Beitragssätze anheben, noch nicht parallel ihre Zuzahlungen erhöhen. Bislang galt der 1. September als Starttermin. Grund dafür, daß diese Regelung vorerst auf Eis gelegt wurde, sind Schwierigkeiten bei der zeitnahen Berechnung des Risikostrukturausgleiches (RSA). RSA-bedingte Beitragssatzerhöhungen führen nicht automatisch zu einer Erhöhung der Zuzahlung. Zu welchem Anteil eine Erhöhung auf den RSA zurückgeführt werden muß, steht jedoch erst am Jahresende fest, da die Aufsichtsbehörde erst dann über exakte Daten zur Berechnung des RSA verfügt.

Dr. Dieter Thomae (FDP), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, nannte den Herbst 1998 als voraussichtlichen Starttermin für die kassenspezifische Zuzahlung. Er plädierte dafür, daß beitragssatzbedingte Zuzahlungserhöhungen in Zukunft grundsätzlich erst zum Jahres- oder Halbjahresende wirksam werden sollten. Eine endgültige Entscheidung stehe aber noch aus.

Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßen diese Entscheidung. Nach Einschätzung von Gerdelmann hätte ansonsten ein Zuzahlungschaos gedroht. Wenn sich am Ende eines Jahres herausstelle, daß die Erhöhung des Beitragssatzes einer Kasse ausschließlich oder teilweise durch den RSA begründet ist, die Zuzahlung aber bereits erhöht worden sei, stünden die Kassen vor dem Problem, zuviel gezahlte Beiträge an die Versicherten zurückzuvergüten. Dies hätte einen immensen Verwaltungsaufwand bedeutet.

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Bonn

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